Die Wissenschaft bezieht Stellung: Der Präsident der Nationalen Akademie, Jörg Häcker, erklärt, wie man gegen resistente Erreger vorgehen müsste. Die bisherigen Anstrengungen, sagt er im StZ-Gespräch, reichen dazu nicht aus.


Herr Hacker, droht wirklich ein Rückfall in eine Zeit ohne Antibiotika?
Antibiotika sind in der Medizin essenziell. Wir beobachten seit Jahren eine Zunahme der resistenten Erreger, und zugleich war die letzte große Innovation in der Pharmakologie in den 80er Jahren. Das ist eine Besorgnis erregende Situation und wir sollten gegensteuern.

Deutschland hat bereits eine Strategie zum Umgang mit Antibiotika-Resistenzen. Sind wir schon auf einem guten Weg?
Die Strategie ist ein richtiger Schritt, aber wir müssen weitergehen. In unserer Stellungnahme haben wir versucht, das Thema systemisch zu betrachten. Dazu gehören auch Fragen der Forschung und der Zulassung von Medikamenten.

Gerade hat die EU zwei große Projekte ausgewählt, die jeweils eine Milliarde Euro erhalten sollen. Braucht auch die Antibiotikaforschung einen solchen Schub?
Ich glaube, die Antibiotikaforschung ist ein anderes Gebiet, bei der sich dieser Ansatz nicht so sehr eignet. Wir haben stattdessen eine Forschungsagenda aufgestellt.

Was würde sich ändern, wenn diese Forschungsagenda umgesetzt wird?
Dann würde ein ganzer Forschungsbereich stärker sichtbar. Die Forschung umfasst viele Bereiche, von der Arbeit an Bakterien bis zu klinischen Studien mit Wirkstoffen. Hier gibt es auch Überschneidungen und neue Methoden, denen wir uns widmen sollten. Nicht zuletzt sollten wir die sozialwissenschaftliche Forschung stärken, die sich mit der Frage befasst, wie Antibiotika von Ärzten und Patienten gesehen werden.

Ist es nicht Wunschdenken, dass Ärzte weniger Antibiotika verschreiben und Patienten sie wie vorgeschrieben einnehmen?
Die Schwierigkeiten, die es gibt, müssen wir wissenschaftlich untersuchen. Wir sollten nicht von vornherein sagen, dass alles so bleiben kann, wie es ist.

In Ihrer Stellungnahme empfehlen Sie, dass der Staat die Entwicklung neuer Antibiotika stärker unterstützt. Sehen Sie hier nicht die Pharmaindustrie in der Verantwortung?
Es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das man nicht auf die Frage staatlicher Subventionen verkürzen sollte. Wir schlagen einen runden Tisch vor, an dem Industrie, Wissenschaft und Zulassungsbehörden gemeinsam überlegen, wie man neue Wirkstoffe entwickelt und schnell auf den Markt bringt. Diesen Runden Tisch könnten die Akademien organisieren. Ein Thema ist dabei auch, dass die Zulassungsbehörden nicht verlangen sollten, wie sie es in einigen Fällen tun, dass ein neues Antibiotikum besser ist als die bisherigen. Wir schlagen vor, dass für die Zulassung nur nachgewiesen werden muss, dass ein neues Mittel genauso gut wirkt wie die bisherigen.