Der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider sieht bei Grün-Schwarz weder Gewinner noch Verlierer.

Stuttgart - Der Stuttgarter Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider findet, Grüne und CDU haben gleich gut verhandelt.

 
Herr Brettschneider, Grüne und CDU haben hart um die Verteilung der Ministerien gerungen. Nimmt die Öffentlichkeit überhaupt wahr, wer welches Ressort hat?
Das kommt darauf an, wen Sie mit Öffentlichkeit meinen. Von der breiten Bevölkerung nehmen das sicher nur wenige wahr. In der Regel kennt man den Ministerpräsidenten und vielleicht noch seinen Stellvertreter, die einzelnen Minister aber kaum. Trotzdem sind sie wichtig, denn sie werden einerseits von der eigenen Partei wahrgenommen, in der sie Bezirke, Flügel oder ein bestimmtes Geschlecht vertreten. Zum anderen achten natürlich jene Gruppierungen darauf, für die das Ministerium zuständig ist, die also davon „betreut“ werden. Deswegen haben beide Parteien ja so lange um das wichtige Ministerium für Ländlichen Raum gestritten.
Rein formal haben beide Seiten jetzt fünf Ministerien. Aber die Häuser sind ja nicht alle gleich groß und wichtig. Wer hat denn besser verhandelt?
Ich glaube, beide haben gut verhandelt. Das gilt auch inhaltlich für den gesamten Koalitionsvertrag. Ich kann wirklich nicht erkennen, wer von den beiden sich mehr durchgesetzt haben sollte. Das ist ein klassischer Kompromiss, bei dem beide Seiten wirklich gut abgeschnitten haben. Beide haben etwas bekommen, was ihnen sehr wichtig ist, beide haben natürlich auch Federn lassen müssen. In etlichen Punkten haben sie sich aufeinander zu bewegt, zum Beispiel in der Schulpolitik.
Die Grünen stellen den Finanzminister. Ist das ein Zeichen dafür, dass man den Grünen das Geld anvertrauen kann?
Ja, das strahlt Seriosität aus und es ist ein weiterer Meilenstein der Grünen auf ihrem Weg zur Volkspartei. Außerdem haben sie wieder Verkehr, den Umwelt- und den Naturschutz. Ich finde, da haben sie gut verhandelt.
Und die CDU?
Das Innenministerium verantwortet jetzt auch die Digitalisierung, da gibt’s viel Geld zu verteilen und auch viele Pluspunkte zu machen. Insofern ein Erfolg für die CDU. Auch im aufgepeppten Wirtschaftsministerium plus Wohnungsbau gibt’s viel Geld zu verteilen. Beide haben also ihre Ministerien erkämpft, die für ihre eigenen Wählerinnen und Wähler wichtig sind, die für die Symbolik wichtig sind, und mit denen man sichtbar ist. Die CDU kann mit dem ländlichen Raum, Innenpolitik und Wirtschaft sichtbar sein, die Grünen können es mit Umwelt, Verkehr und Finanzen, auch mit Wissenschaft. Und mit dem Ministerpräsidenten sowieso.
Im Staatsministerium wurden zwei Ministerposten eingespart. Was kann man daraus ablesen? Dass Kretschmann die Sachen lieber allein mit seinem Staatskanzleichef Murawski regelt?
Das bedeutet, dass er in seinen Staatskanzleichef ein sehr großes Vertrauen hat, dass er diesen Job auch noch machen kann. Als Sparsignal, wie es oft verkauft wird, würde ich es nicht sehen. Denn dafür werden ja mehr Staatssekretärsposten geschaffen. Unter dem Strich dürfte sich das nicht viel nehmen. Ich habe aber an der Spitze eine schlankere Organisation, da ist ein schnelleres Abstimmen möglich.