Sie glauben ernsthaft daran, dass eine solche Runde Bewegung in die festgefahrene Debatte bringen könnte?


Ich bin fest davon überzeugt. Vor einigen Jahren habe ich in New Jersey ein Beteiligungsverfahren für Bürger moderiert. Es ging um ein neues Klärschlammverfahren, gegen das sich die Bauern mit Händen und Füßen gewehrt haben. Ihr Argument: "Wir wollen das nicht, es stinkt zu sehr."

Über stinkende Felder regen sich Bauern eher selten auf.


Eben. Das Argument war nur vorgeschoben. Im Laufe des Verfahrens wurde deutlich, was die Bauern wirklich umtrieb. Sie hatten Angst, dass ihr Land verstädtert würde, wenn sie den Schlamm aus der Stadt einführen. Und sie hatten Angst, ihr Land zu verlieren und es nicht mehr ihren Kindern übergeben zu können.

Wir übertragen das mal: Ihr Job als Moderator war es also, die wahren Ängste und Vorbehalte offen zu legen und dann gemeinsam eine Lösung zu suchen.


Das ist der Punkt. Eine Bürgerbeteiligung kann nur dann erfolgreich sein, wenn die Absichten der einen und die Ängste der anderen offen liegen. Man kann nur Respekt voreinander lernen, wenn man sich austauscht und kennenlernt. Ohne gegenseitigen Respekt gibt es keine Annäherung.

Wie sehen diese Ängste der Bürger gegenüber Stuttgart 21 aus?


Die Argumente um Kosten, Tunnelsicherheit und Denkmalschutz - auch sie halte ich im Wesentlichen für vorgeschoben. Die Menschen suchen nach rationalen Argumenten, um ihr Unbehagen auszudrücken. Dahinter steht: der Umbau des Bahnhofs wird als kalter Modernisierungsprozess wahrgenommen, der die Gesellschaft noch mehr beschleunigt. Computer, Handys, Hochgeschwindigkeitszüge - alles wird immer technischer und künstlicher.

Merkwürdig, dass darüber in der Öffentlichkeit kaum geredet wird.


Das lässt sich leicht erklären. Die Menschen befürchten, dass sie von Politikern und Managern ausgelacht werden, wenn sie ihre Ängste artikulieren. Das halte ich für falsch; auch diese eher weichen Argumente sind wichtig.

Sie wollen sagen, dass wir über diffuse Lebensgefühle diskutieren müssen?


Ja, und es klingt mir zu abwertend, wie Sie das formulieren. Die Menschen sollen sich doch im positiven Sinn in Stuttgart beheimatet fühlen. Und viele glauben, dass die Hochgeschwindigkeitszüge ihr Tempo künftig auf den öffentlichen Raum übertragen werden. Im Durchgangsbahnhof hetzt alles, es geht ständig im Eiltempo voran. Gerade ältere Menschen befürchten oft insgeheim: "Da komme ich nicht mehr mit."