Der neue transatlantische Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer, plädiert für Pragmatismus im Umgang mit dem US-Präsidenten.

Berlin - Der sogenannte Westen muss sich neu finden, sagt der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer. Diesem Ziel solle auch Merkels USA-Besuch an diesem Freitag dienen.

 
Herr Beyer, seit 1981 gibt es im Auswärtigen Amt einen Koordinator für die transatlantische Zusammenarbeit. Haben Sie es von allen Amtsinhabern am schwersten?
Das weiß ich nicht, aber leichter war es in dieser Position bestimmt schon mal. Wir leben in einer Zeit, in der es im transatlantischen Verhältnis kein „Business as usual“ gibt. Nehmen Sie nur den Syrienkrieg, das iranische Atomabkommen oder den Handelskonflikt – da gibt es überall viel zu tun.
Wie lautet Ihre Kurzbeschreibung der deutsch-amerikanischen Beziehungen?
Belastbar, aber ausbaufähig.
Belastbar? Trumps „America first“-Politik nimmt kaum Rücksicht auf die Partner. Wie kann es da verlässliche Kooperation geben?
Unabhängig davon, dass immer unterschiedliche Persönlichkeiten im Weißen Haus sitzen, sind die deutsch-amerikanischen Beziehungen neben der europäischen Integration das Wichtigste, was wir in der deutschen Außenpolitik haben. Das bleibt auch so. Wir müssen diese Realität akzeptieren und das Beste daraus machen, dass wir uns im Moment nur schwer auf die US-Politik einstellen können und die Sprunghaftigkeit der Entscheidungen sowie Trumps Kommunikationsstil es nicht einfacher machen. Die Schockstarre direkt nach der Wahl im November 2016 haben wir schon längst überwunden, jetzt braucht es Arbeitsprofessionalität und Pragmatismus. Es geht gar nicht anders, als gemeinsam über die problematischen Themen zu reden. So hat es Emmanuel Macron in dieser Woche gemacht, so wird es Angela Merkel am Freitag machen.
Trump setzt auf nationale Stärke, Merkel auf internationale Kooperation. Verliert da nicht der transatlantische Bund im Vergleich zum europäischen an Bedeutung?
Das will ich nicht hoffen, wenn wir uns nur auf Europa verlassen würden, wäre das nicht gut. Wir müssen Beides parallel hinbekommen. Viel zu lange haben wir auf dieser Seite des Atlantiks die gute Partnerschaft mit den USA als etwas Gottgegebenes betrachtet – nun müssen wir dafür arbeiten. Die aktuell schwierige Lage im transatlantischen Verhältnis erhöht gleichzeitig den Druck auf uns Europäer, stärker unsere eigene Zukunft zu gestalten.
Der „Westen“, wie er einst genannt wurde, ist also nicht am Ende?
Wir müssen die Kirche im Dorf lassen, ich sehe keinen Untergang des „Westens“. Er muss sich aber ein Stück weit neu finden, Amerikaner und Europäer müssen ihre gemeinsamen Themen und Interessen neu aushandeln – und das hat nicht nur mit Trump zu tun, sondern ist schon länger vernachlässigt worden. Der Aufstieg Asiens oder die neue alte Rolle Russlands erzeugen einen Positionierungsbedarf, um die Beziehungen auf eine neue zukunftsfeste Basis zu stellen – wie das zum Beispiel auch das Ziel des nun auf Eis liegenden TTIP-Abkommens war.
Was erwarten Sie konkret von Angela Merkels Besuch an diesem Freitag?
Wir sollten die Erwartungen nicht überzeichnen. Es würde mir schon reichen, wenn es in Washington ein offenes Ohr, gegenseitiges Verständnis und die Bereitschaft gäbe, eigene Positionen zu überdenken. Merkels Besuch ist allerdings auf beiden Seiten akribisch vorbereitet – und wegen der zeitlichen Nähe zu Macrons Besuch auch eng mit Frankreich abgestimmt worden. Es ist für uns sehr wichtig, dass die beiden Besuche in ihrer ganzen Unterschiedlichkeit dennoch als einer gesehenen werden. Die Amerikaner sollen sehen und hören, dass zwei wichtige europäische Führungspersönlichkeiten in zentralen Anliegen mit einer Stimme sprechen. Merkel und Macron müssen und werden etwa in der Iran-Frage und beim Handelsstreit dieselbe Botschaft an Trump übermitteln. Es ist eine europäische Stärke, dass gerade so unterschiedliche Charaktere wie Merkel und Macron dieselbe Position vertreten.
Fragt sich nur, ob sie Gehör finden.
Der gordische Knoten wird sicher nicht sofort durchschlagen werden können – weder bei den nach dem 1. Mai drohenden Strafzöllen auf europäische Produkte, noch was das iranische Atomabkommen angeht, aus dem sich die USA am 12. Mai zurückziehen könnten. Aber wir hoffen erreichen zu können, dass Trump seine Positionen dazu noch einmal überdenkt.
Womit will man ihn denn umstimmen?
Im Handel könnte es darum gehen, einen dauerhaften festen Wirtschaftsdialog mit den Amerikanern einzurichten, um in diesem Rahmen strittige Fragen wie die Zölle zu besprechen und auszuräumen – unter neuen Handelsbarrieren würden schließlich beide Seiten leiden. Was den Iran angeht, sind die regionale Rolle und das Raketenprogramm problematisch. Sie sind aber unabhängig von dem Atomabkommen zu sehen. Das Atomabkommen macht die Welt sicherer, nicht zuletzt auch Israel. Über die anderen Fragen müssen wir mit Iran sprechen. Erste Schritte dazu sind auf deutsche Initiative bereits erfolgt.
Trump fühlt sich oft nicht an das gebunden, was er kurz zuvor seinen Staatsgästen gesagt hat.
Einzelne Besuche dieser Art sind nicht genug. Es muss danach auf der Arbeitsebene intensiv weitergehen.