Wird der Deutschlandfunk auch bald reformiert?
Steul Das ist geschehen. Wir senden im DLF seit vergangenem April in der Nacht statt Musik ein Wortprogramm, das war im DLF der entscheidende Veränderungsschritt. Täglich hören rund sechs Millionen Menschen in Deutschland die sogenannten „gehobenen Programme“, also die Kultur- und Informationswellen der öffentlich-rechtlichen Sender. Die drei Programme des Deutschlandradios haben daran mit 2,1 Million einen Anteil von einem Drittel, 1,6 Millionen Hörer hat allein der Deutschlandfunk. Er ist mit 70 Prozent Wortanteil das anspruchsvollste Wort- und Informationsprogramm im deutschen Hörfunk. Das ist sein Alleinstellungsmerkmal. Dieses Profil werden wir noch schärfen. Zum Beispiel haben wir in der Morgensendung den ohnehin geringen Musikanteil weiter reduziert, um noch mehr Informationen unterzubringen. Bestimmte Merkmale der Seriosität werden wir niemals aufgeben, zum Beispiel, die Nachrichten von einem professionellen Sprecher vortragen zu lassen.
Beim Deutschlandfunk bleibt also alles beim Alten?
Weber Natürlich wird es Feinjustierungen geben, denn alles, was Bestand haben will, muss sich ändern. Wenn Hörer den Eindruck haben, es werde beim Deutschlandfunk moderiert wie vor zehn Jahren, ist das gut und richtig, denn es drückt aus, dass wir uns nicht dem Zeitgeist verschreiben. Wenn allerdings der Eindruck entsteht, man moderiere dort wie vor 20 Jahren, würde man uns bald nicht mehr ernst nehmen. Deshalb drehen wir an kleinen Stellschräubchen, zum Beispiel Moderationen gelegentlich zu sehr nach Schriftsprache klingen.
Wollen Sie mit diesen Änderungen mehr Hörer erreichen? Welche Quote sollen die Programme des Deutschlandradios erreichen?
Steul Unser Ziel lautet: unser Angebot muss für jene erwähnten sechs Millionen Hörer gehobener Radioprogramme hohe Relevanz besitzen. Das können wir nur erreichen, wenn wir hohe Qualität liefern. Ich will aber deutlich machen: Wir bekommen von der Haushaltsabgabe zurzeit 46 Cent. Wenn es demnächst 47 Cent werden, würde ich das schon als Anerkennung verstehen. Der Deutschlandfunk hat einen Anteil von fast 80 Prozent an eigenproduzierten Sendungen, beim Deutschlandradio Kultur ist der Anteil nur unwesentlich geringer. Wir zahlen rund ein Drittel der Kosten für das Netz an ARD-Hörfunkkorrespondenten im Ausland. Diese Qualität hat ihren Preis. Wenn die Gesellschaft lieber ein Billigprogramm möchte, kann sie es jederzeit bekommen. Ich empfände das aber als großen Verlust.
Nun, es gibt zumindest Menschen, die das alte Programm von Deutschlandradio Kultur so zu schätzen wussten, dass sie in Online-Petitionen die satirische Top-Ten-Kolumne und die Anrufsendung „2254“ mit Hörerdiskussionen zu aktuellen Themen zurückwünschen. Haben sie eine Chance, erhört zu werden?
Weber Was die Top-Ten-Kolumne angeht, werden wir uns die Sache nochmals genau anschauen und gegebenenfalls reagieren.
Steul Grundsätzlich freut es mich, wenn Menschen eine Sendung so zu schätzen wissen, dass sie darum kämpfen. Wir haben beschimpfende, aber auch sehr anrührende Briefe von Fans von „2254“ bekommen. Aber als Intendant muss ich die Gesamtstrategie im Auge behalten. Wir haben beim Deutschlandfunk die wortorientierte „Radionacht“ eingeführt, wogegen es übrigens auch Proteste gab, um dessen Profil als Informations- und Wortsender zu stärken. Deutschlandradio Kultur setzt in Abgrenzung dazu nachts auf Musik. Da ist „2254“ ein Fremdkörper. Bei einer Profilierungsstrategie lassen sich leider nicht alle Wünsche berücksichtigen.
Immerhin hatten Sie eine große Unruhe im Haus. Viele Mitarbeiter in Berlin fühlten sich überrollt von der Programmreform.
Weber Leider ist es bei Veränderungsprozessen unvermeidlich, dass der eine oder andere Mitarbeiter verunsichert wird. Wie Sie eingangs gesagt haben: unser Programm stand gut da. Wir waren also nicht unter Zeitdruck und haben uns eine sehr lange Phase der Diskussion gegönnt. Vielleicht zu lange. Im Nachhinein würde ich sagen: Wir hätten schneller Klarheit schaffen müssen.
Steul Wir sind mit dieser Reform auf dem richtigen Weg. Nur wenn unsere Programme bei höchster journalistischer und künstlerischer Qualität klar unterscheidbar und komplementär sind, sichern wir dem nationalen Qualitätshörfunk in Deutschland die Zukunft.