Die Staatsrätin Gisela Erler hält das Verfahren, beim Filderdialog eine Großgruppenmoderation mit Zufallsteilnehmern durchzuführen, für eine bewährte Methode bei festgefahrenen Konflikten.

Stuttgart -Am Samstag startet in Leinfelden-Echterdingen der viel diskutierte und mangels Teilnehmer verschobene Filderdialog. Für das Verfahren eingesetzt hat sich von Beginn an die Staatsrätin Gisela Erler, die enttäuscht ist von der fehlenden Unterstützung der Filderpolitiker. „Ich habe erwartet, dass Gesprächsangebote auch angenommen werden.“
Frau Erler, wie viele Menschen müssen mitmachen, bis eine Bürgerbeteiligung den Ansprüchen einer für Bürgerbeteiligung zuständigen Staatsrätin genügt?
Eine Bürgerbeteiligung ist kein Volksbegehren, bei dem es Quoren von sechs, zehn und mehr Prozent gibt. Es kommt dabei nicht darauf an, einen bestimmten Prozentsatz zu erreichen. Es geht vielmehr darum, dass von einer Zahl ausgewählter Teilnehmer die unterschiedlichen Interessen der Bürger vertreten werden.

Warum bezweifeln dann so viele Betroffene, dass beim Filderdialog alle Interessen gleichermaßen vertreten werden? Viele Bürger, die dabei sein wollten, dürfen es nicht . . .
Der Filderdialog ist eine ungewöhnlich große Form der Bürgerbeteiligung, bei der die gesamte Meinungsbreite im Raum sitzt. Da sind zum einen die 88 gesetzten Vertreter der Kommunen und Parlamente, die bei den meisten vergleichbaren Mediationsverfahren nicht dabei sind. Dazu kommen zusätzlich noch 80 nicht so exponierte und aktive Bürger, die . . .

. . . man in die Filder-halle tragen muss . . .
Es ist sehr viel darüber geschrieben worden, dass angeblich keiner der angeschriebenen Bürger am Dialog teilnehmen will. Es war für uns natürlich enttäuschend, dass sich zunächst nur fünf Teilnehmer gemeldet hatten. Wir haben da einfach ein paar Fehler gemacht. Inzwischen haben wir mehr als 70 zufällig ausgesuchte Bürger, das ist angesichts der schwierigen Situation ein sehr gutes Ergebnis.

Welche Fehler sind gemacht worden?
Nun, zum einen war einfach sehr wenig Zeit, aber das wussten wir und darauf haben wir uns auch eingelassen. Wenn wir Bürgerbeteiligungen nur dort durchführen, wo absolut ideale Bedingungen herrschen, wird es zu einer Wunschspielwiese. Das Hauptproblem lag aber wohl darin, dass wir unser erstes Anschreiben zu kühl formuliert haben. Ich habe mir erst später klar gemacht, dass viele Bürger Angst hatten, wieder in die alte Kontroverse um Stuttgart 21 hineingezogen zu werden. Sie befürchteten, dass sie öffentlich Position beziehen sollten und dafür angeprangert werden. Daher haben wir versucht, den Bürgern in einem neuen Anschreiben klarzumachen, dass sich bei der Veranstaltung niemand outen muss, sondern Sachverstand und Alltagswissen gefragt sind.

Und sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?
Wir haben jetzt, wie gesagt, mehr als 70 Anmeldungen, das ist ein klarer Indikator, dass Interesse vorhanden ist. Unter normalen Umständen, wenn etwa in weniger vorbelasteten Situationen über ein Einkaufszentrum abgestimmt wird, ist die Beteiligung natürlich höher. Erfreulich ist aber, dass 45 Prozent der freiwilligen Teilnehmer Frauen sind, das ist überdurchschnittlich viel. Ein Problem, mit dem wir nicht gerechnet hatten, war sicher auch, dass die lokalen Eliten das Projekt nach außen nicht unterstützt haben. Es gibt Oberbürgermeister, die kein Wort zu Gunsten des Dialogs gesagt haben. So ein Verhalten hatte ich nicht erwartet, und, ganz ehrlich: Ich habe es auch nicht verstanden.

Also sind Sie unzufrieden mit der Unterstützung, zum Beispiel durch den Leinfelden-Echterdinger OB Roland Klenk?
Ich nenne keine Namen, denn darum geht’s auch nicht. Ich habe erwartet, dass ehrlich gemeinte Gesprächsangebote auch angenommen werden, zumal von politischen Kräften. Das war aber offenbar naiv von mir. Ein solches Primat der Politik vor sachlichen Debatten hatte ich nicht erwartet. Ich glaube aber, dass sich diese Haltung im Lauf des Dialogs ändern kann.