Trumps Affront sei nur ein weiterer auf der langen Liste der Tabubrüche, sagt Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Grünen, im Interview mit der Stuttgarter Zeitung. Seiner Ansicht nach profitiert China am meisten von der Schwäche des Westens.

Berlin - Sicher werde es eine Zeit nach Trump geben, meint Omid Nouripour, außenpolitischer Sprecher der Grünen: Aber genauso sicher sei, dass es keine Rückkehr zum Status quo vor Trump geben werde: „Er verändert dauerhaft nicht nur die politische Kultur, sondern auch die politischen Gewichte auf der Welt.“

 
Herr Nouripour, wie bewerten Sie, was in Kanada abgelaufen ist?
Die wichtigste Erkenntnis ist, dass das Weiße Haus kein gesteigertes Interesse mehr an internationaler Kooperation hat. Für einen Zusammenschluss wie die G 7 ist das eine bittere Nachricht.
Der zentrale Handelskonflikt ist nicht beigelegt, im Gegenteil. Trump hat mit der nachträglichen Absage an eine mühsam ausgehandelte Abschlusserklärung sogar noch mehr Öl ins Feuer gegossen.
Das ist ein diplomatischer Affront, aber leider nur ein weiterer auf der langen Liste von Trumps Tabubrüchen. Das Einzige, was Trump interessiert, ist Trump. Er macht keinerlei Unterschied zwischen Freund und Feind und behandelt die langjährigen Verbündeten in Europa nicht anders als China. Deshalb ist es umso wichtiger, dass nicht nur die Europäer, sondern auch andere Gleichgesinnte wie Kanada und Japan jetzt zusammenstehen. Der Westen muss sich neu definieren. Sicher wird es eine Zeit nach Trump geben, aber genauso sicher ist, dass es keine Rückkehr zum Status quo vor Trump geben wird. Er verändert dauerhaft nicht nur die politische Kultur, sondern auch die politischen Gewichte auf der Welt, vor allem zugunsten Chinas, das von der Schwäche des Westens am meisten profitiert.
Hat Trump aber zumindest recht in dem Punkt, dass er Russland – ohne die Sanktionen wegen der Ukrainepolitik infrage zu stellen – zumindest als Dialogpartner in ein G-8-Format zurückholen will?
In Sachen Russland sehe ich keinen Mangel an Dialog mit den Russen, sondern nur einen Mangel an Bereitschaft in Moskau, etwas für eine Rückkehr an den Tisch der G 8 zu tun. Sie wären bei einer entschlossenen Umsetzung des Völkerrechts in der Ostukraine und auf der Krim herzlich willkommen.
Einzelgänger Trump könnte schon bald einen Erfolg feiern, wenn er Frieden mit Nordkorea schlösse.
Wenn er ein atomwaffenfreies Korea erreicht, müsste man ihm gratulieren. Wenn Trump daraus aber den Schluss ziehen würde, mit der Androhung atomarer Gewalt auch den Handelskonflikt mit der EU lösen zu wollen, wäre das aber mehr als schlecht.
Bislang geht man stillschweigend davon aus, dass auch Trumps Amerika die Nato braucht und nur mehr Geld von den Verbündeten sehen will.
Es gibt mit Trump keine Selbstverständlichkeiten mehr, auch keine sicherheitspolitischen. Deshalb ist es so wichtig, dass Europa verteidigungspolitisch handlungsfähiger wird, was aber den Wert der Nato keineswegs kleiner macht.
Wie handelt Merkel in dieser Umbruchphase?
Gut ist, dass sich die Kanzlerin nicht provozieren lässt. Schlecht ist, dass sie immer nur von der Notwendigkeit redet, dass jetzt Europa gestärkt werden muss. Man muss sicher nicht alle Vorschläge Macrons teilen. Aber der französische Präsident hat auf jeden Fall eine Dynamik in den dringend notwendigen europäischen Erneuerungsprozess gebracht, die Merkel gerade abwürgt. Die emotionale Passivität, mit der Merkel auf Macron geantwortet hat, wird Bedeutung und Größe der Aufgabe nicht gerecht.