Braucht es einen Kurs für orientalischen Tanz in einem evangelischen Bildungshaus?
Warum nicht? Wenn Sie an einem biblischen Bezug interessiert sind: König David tanzte auch.
Trotzdem ist der Hospitalhof ein christliches Haus. Wie viel Religion muss sein? Was wird von Ihnen erwartet?
Natürlich gibt es Erwartungen von außen, aber das entspricht auch meiner persönlichen Haltung. Nachdenken über Theologie kann viel zur Gestaltung des eigenen Lebens beitragen. Wir haben zum Beispiel einen pastoralen Begleiter geladen, der darüber redet, wie man in Belastungssituationen mit Stress umgehen kann. Theologie stärkt Menschen in jeder Hinsicht. Ein weiteres Beispiel: wir bieten in diesem Jahr eine Psalmenreihe an. Um mich vorzubereiten, lese ich gerade jeden Donnerstag Psalmen. Eine Stunde nur mit dem Bibeltext – in Deutsch und Hebräisch. Ich gehe ganz anders in den Tag. Ich weiß, was Theologie bewirken kann.
Findet sich in dem Neubau ein Kreuz?
Das Ensemble als ehemaliges Kloster spricht eine starke Sprache, hinzu kommt die Kirche, die auf die Religion verweist. Wer da noch nicht merkt, dass er in einem christlichen Haus ist, der merkt es auch nicht, wenn ein Kreuz hängt. Wenn wir in interreligiösen Fragen Veranstaltungen machen, dann ist ein von einem Symbol dominierter Raum schwierig. Man darf spüren, wo man ist, aber es muss auch möglich sein, ein interreligiöses Mahl zu veranstalten. Das könnte niemals in einem Kirchenraum stattfinden. Wir wollen aber gerade die Interreligiosität verstärkt pflegen.
Wie kann Glaubensvermittlung in einer kirchenkritischen Gesellschaft gelingen?
Wir haben den Alttestamentler Manfred Oeming geladen, der Psalmen als Palliativmedizin betrachtet. Es gibt viele Psalmen, die klagen. Wir müssen den Menschen, die mit dem Sterben konfrontiert werden, vermitteln, in den Psalmen geht es genau darum. Sie trösten in Situationen großer psychischer und physischer Anspannung. Wir haben uns viele Gedanken gemacht, wie man einen Psalm nicht nur in seiner Schönheit und der Tradition der Bibel bekannt machen kann, sondern auch in seiner Alltagstauglichkeit. Es geht darum, den richtigen Ansatz zu finden.
Sehen Sie sich in Ihrer Funktion als Hospitalhof-Chefin als eine Missionarin in einer säkularen Gesellschaft?
Nicht im negativen Sinne. Ich würde sagen, wenn Menschen spüren, dass ein anderer Geist in dem Haus weht, dann ist das wunderbar. Wir drucken auf unseren Eintrittskarten neben Bildern auch Bibelzitate und Weisheiten. Wir finden es wichtig, den Leuten etwas zum Nachdenken mit auf den Heimweg zu geben. Das ist unsere Art der Überzeugungsarbeit oder wenn sie wollen der Mission.
Was ist anders als bei der VHS?
Kern unserer Arbeit ist es, dass wir unsere Fragestellungen in kirchlichem Auftrag reflektieren. Wir glauben, dass der Mensch seinen Verstand von Gott bekommen hat genauso wie den Willen und die Freiheit zu handeln. Das ist der Horizont, vor dem wir nachdenken. Die VHS dagegen hat einen Volksbildungsauftrag. Trotzdem brauchen wir nicht so zu tun, als hätten wir das Bildungsverständnis in der Stadt allein gepachtet. Deshalb streben wir Kooperationen an mit der VHS genauso wie mit dem katholischen Bildungswerk, dem Literaturhaus oder dem Forum jüdischer Kultur.
Kommen alle Referenten, die sie wollen?
Schön wäre es. Wir sind gehalten, kostendeckend zu arbeiten, das heißt, wir müssen aus unseren Teilnehmerbeiträgen die Referenten bezahlen. Hinter vielen Bildungshäusern stehen große Stiftungen, in dieser komfortablen Situation sind wir nicht.
Wen wollen Sie mit Ihrem Programm ansprechen? Den evangelischen Bildungsbürger im Ruhestand?
Den schon mal auf jeden Fall. Aber wir wollen verstärkt auch Berufstätige gewinnen. Deshalb haben wir unsere Veranstaltungen auf 19 Uhr vorverlegt, dann können die Leute direkt von der Arbeit zu uns kommen. Natürlich haben wir bei vielen Veranstaltungen ein älteres Publikum, aber keineswegs ausschließlich. Bei den Angeboten, die sich mit Psychotherapie beschäftigen, liegt das Altersspektrum zwischen 40 und 60, bei beruflichen Fragen noch darunter. Wir wollen auch eine Anlaufstelle für Menschen sein, die sich zu einer bestimmten Frage orientieren wollen, zum Beispiel beim Thema Depression. In der Anonymität des Hospitalhofs können Angehörige dann Fragen stellen, ohne dass nachher alle in der Nachbarschaft wissen, aha, da gibt es Probleme. Trotzdem sind wir kein Therapiezentrum.
Sie bieten jetzt auch Reisen an.
Wir haben gemerkt, dass wir Formate brauchen, die außerhalb unseres Hauses liegen. Die Stadtspaziergänge sind ein Beispiel, dass solche Angebote gut ankommen. Man lernt leichter, wenn man sich bewegt und ins Gespräch kommen kann. Das ist ganzheitliches Lernen in christlicher Tradition. Wir merken auch, dass viele Menschen im Alltag keine Kraft haben, unsere Bildungsveranstaltungen zu besuchen, aber die sagen dann vielleicht, auf eine Reise gehe ich mit. Wir organisieren die Reisen aber nicht, sondern steuern nur die Inhalte bei.
Vor fünf Jahren hat das Haus der Katholischen Kirche in der Königstraße eröffnet. Ist der Hospitalhof der evangelische Gegenentwurf?
Dafür gibt es zu viele Unterschiede. Das Haus der katholischen Kirche liegt an Passantenströmen und kann die zufällige Öffentlichkeit ganz anders wahrnehmen. Das Hospitalviertel entwickelt sich, ist aber längst nicht so erschlossen. Für uns kam deshalb ein Cafébetrieb nicht in Frage, wir liegen nicht an der Königstraße. Dafür haben wir mehr Veranstaltungen im Bildungsbereich. Von außen betrachtet sind wir zwei exponierte kirchliche Häuser. Es ist natürlich gut für uns als evangelische Kirche in Stuttgart auch so einen starken Ort zu haben wie die katholische Kirche.
Wird aus dem evangelischen bald ein ökumenisches Bildungszentrum?
Es gibt Fragen, bei denen man einfach zusammenarbeiten muss, weil sie Christen jeder Konfession betreffen. Dazu gehört die Flüchtlingspolitik genauso wie die Situation der Christen in Syrien oder die Sterbehilfe. Dann laden wir gemeinsam ein, ohne ein ökumenisches Zentrum zu werden.
Wo ist ihr Lieblingsort in dem Neubau?
Ich liebe die Weite des Foyers, die man vor allem früh morgens spürt. Es ist mir wichtig, dass diese Ruhe und Weite bleiben. Man soll nicht das Gefühl haben, in ein Wohnzimmer zu treten. Und dann ist da noch der Dachgarten unserer Wohnung im oberen Stock. Von dort hat man einen schönen Blick auf die Stadt.
Die Hospitalkirche ist noch nicht saniert. Was wünschen Sie sich für diesen Ort?
Ich wünsche mir, dass man die Kirche für unterschiedliche Formen geistlichen Lebens nutzen kann. Man soll nicht nur in den Bänken sitzen und der Predigt lauschen können, sondern sie sollte auch Raum für Meditation und Seelsorgegespräche geben. Wir bleiben eine Baustelle, das ist auch eine Chance, uns konzeptionell zu entwickeln.
Sie präsentieren sich als offenes Bildungszentrum. In den Innenhof aber kommt nur, wer durchs Haus geht.
Würden Sie das anders machen? Ich möchte wissen, wer unsere Gäste sind. Wir sind schließlich keine Fußgängerzone. Das ist eine kleine Schwelle, aber die kann man leicht überwinden. Wir gehen mit großzügigen Vorstellungen an alles heran und hoffen, dass die Menschen das Haus achten.
Das Programm ist üppig. Empfehlen Sie uns zum Abschluss eine Veranstaltung.
Wo Glück ist, gibt es keinen Geiz, so heißt ein Vortrag über Franz von Assisi am 16. Mai. Auch wir im Hospitalhof wollen nicht geizig sein, sondern das Glück mit anderen teilen. Wir geben der Stadtöffentlichkeit ein großes Haus, in dem Menschen miteinander reden und sich begegnen können. Das ist Glück.