Winfried Kretschmann war der erste, inzwischen gibt es viele Mahner: Wegen des Kriegs in der Ukraine werden die Bürger auf Wohlstandsverluste eingeschworen. Was auf die Politik zukommt, ist weniger klar. Wir haben Eike Möller, den Chef des Landesverbands der Steuerzahler, gefragt.
Herr Möller, was bedeuten höhere Energiekosten, steigende Inflation und geringeres Wirtschaftswachstum für die Landespolitik?
Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine wachsen die Risiken für den Landeshaushalt auf der Einnahme- und auf der Ausgabeseite. Dass das Wirtschaftswachstum sich eintrübt und damit die Steuereinnahmen sinken, ist eine reale Gefahr. Das kann vielleicht noch konterkariert werden, weil der Staat von der steigenden Inflation profitiert: Wird Strom und Öl teurer in der Anschaffung, steigt automatisch der Anteil der Mehrwertsteuer. Bei der Einkommensteuer wird die kalte Progression nicht ausreichend ausgeglichen. Die Steuerzahler werden so automatisch stärker zur Kasse gebeten.
Heißt das, die Steuereinnahmen könnten noch steigen?
Jedenfalls ist aktuell nicht solide kalkulierbar, wie sich das Aufkommen entwickelt. Noch gibt es keinen Einbruch und die Steuereinnahmen laufen gut. Trotzdem hat der Ministerpräsident recht, wenn er mittelfristig mit Wachstumseinbußen rechnet.
Wie sieht es bei den Ausgaben aus?
Wenn das Wachstum sich verlangsamt, steigt der Druck auf die Unternehmen. Dann wird es wahrscheinlich, dass Unterstützungsleistungen beschlossen werden, wenn Beschäftigte kurzarbeiten müssen oder entlassen werden. Darüber hinaus drohen zusätzliche Ausgaben durch die Flüchtlingswelle. Die Risiken für die öffentlichen Haushalte wachsen.
Im Koalitionsvertrag hat Grün-Schwarz alle Vorhaben unter Etatvorbehalt gestellt, weil die Koalitionäre gehofft haben, dass Corona bald vorbei ist und die Steuern wieder sprudeln. Ist dieses Kalkül überholt?
Vorerst muss man auf Sicht fahren. Falls die Konjunktur einbricht, ist der grün-schwarze Koalitionsvertrag Makulatur. Die Landesregierung ist auf jeden Fall gut beraten, bei der Etataufstellung vorsichtig zu sein und die politischen Prioritäten klar zu definieren. Jetzt muss Haushaltsdisziplin in den Mittelpunkt treten. Da gibt es Nachholbedarf.
Welchen?
Bisher macht die grün-schwarze Koalition in der Haushaltsplanung weiter, als sei nichts geschehen. Ich sehe keinerlei Bemühen, beim Personal auf die Bremse zu gehen. Im Doppelhaushalt 2020/2021 wurden mehr als 3200 neue Stellen beschlossen. Trotz Corona wurden 2022 weitere 2000 Stellen beschlossen. Und wenn ich die politischen Gespräche der vergangenen Wochen richtig deute, sieht die Landesregierung auch im nächsten Doppelhaushalt den Bedarf für zusätzliche Stellen. Aber wenn man den Haushalt in den Griff bekommen will, führt am Sparen beim Personal kein Weg vorbei.
Aber mehr Lehrer, mehr Polizisten und mehr Stellen in der Justiz, die Grün-Schwarz auf die Agenda gesetzt hat, sind nicht ganz schlecht begründet.
Das stimmt, diese Stellen sind gut begründet. Aber ich würde die Landesregierung gerne an dem Prinzip packen, das sie im Koalitionsvertrag vereinbart hat: One in – one out. Wieso wird nicht für jede neue Stelle, eine alte Stelle anderswo abgebaut? Ich vermisse, dass bisher gar nichts in diese Richtung überlegt wird. Nur ein Beispiel: In der Finanzverwaltung ist durch die Digitalisierung bei den Einkommensteuererklärungen mittlerweile vieles automatisiert. Trotzdem werden die Bearbeitungszeiten nicht kürzer und allein wegen der anstehenden Grundsteuerreform wurden 500 befristete Stellen geschaffen, obwohl auch da eigentlich vieles automatisiert laufen könnte. Außerdem: In den letzten zehn Jahren wurden tausend zusätzliche Stellen in der Ministerialverwaltung geschaffen. Neue Stellen kommen beileibe nicht immer den Bürgern direkt zugute.
Sparen war in Kretschmanns Amtszeit bisher nie nötig. Können die handelnden Personen das überhaupt?
Die Situation in den letzten Jahren war sehr bequem, das stimmt. Wir hatten ja nicht nur steigende Steuereinnahmen, sondern auch sinkende Zinslasten. Wenn das Zinsniveau jetzt wieder steigen sollte, dann verstärkt der Schuldendienst den Druck auf der Ausgabenseite. Ich fürchte, dass auf die Haushaltspolitiker schwierigere Zeiten zukommen.
Wenn man bisher mit grün-schwarzen Haushaltspolitikern gesprochen hat, musste man glauben, es gibt gar kein Sparpotenzial im Landeshaushalt.
Der Großteil der Ausgaben ist gebunden, das stimmt schon. Aber wer es will, kann Prioritäten setzen. Zudem kann man den Anstieg der Personalkosten eindämmen – durch moderate Tarifabschlüsse, indem man Beamte und Angestellte tariflich nicht gleichbehandelt, da den Beamten mehr Netto vom Brutto bleibt. Auch kann man über die Eindämmung der Pensionslasten nachdenken. In erster Linie darf aber der Personalbestand nicht noch weiterwachsen. Es gibt Wege, um diese scheinbar fixen Posten zu verringern.
In der Pandemie ist die Staatsverschuldung in Baden-Württemberg stark gestiegen. Heißt das, dass neue Schulden trotz aller Belastungen durch den Krieg in der Ukraine tabu sind?
Die Staatsverschuldung sollte immer nur das letzte Mittel sein. Vorher muss man die Ausgaben kürzen. Hinzu kommt, dass in Baden-Württemberg die Differenz zwischen der ausgewiesenen und der tatsächlichen Verschuldung hoch ist: Laut Landesrechnungshof verfügt das Land über Verschuldungsrechte in Höhe von 16,2 Milliarden Euro, die bisher nicht genutzt werden. Hier sind freie Mittel enthalten, die für die Herausforderungen der aktuellen Krise vorhanden sind. Die Notwendigkeit für weitere Schulden sehe ich derzeit wirklich nicht.
Rechnen Sie mit Steuererhöhungen?
Die Bürger sind schon überdurchschnittlich zur Kasse gebeten, sie haben die Belastungsgrenze erreicht. Das Drehen an der Steuerschraube verbietet sich. Am Ende bleibt nur eine restriktive Ausgabenpolitik, falls uns die Probleme über den Kopf wachsen.
Das Gespräch führte Bärbel Krauß
Biografie
Privates
Eike Möller wurde 1971 in Paderborn geboren, ist verheiratet und hat zwei Kinder. Nach dem Abitur 1990 studierte er Volkswirtschaftslehre an der Universität Münster. In Stuttgart ist er seit 2004.
Berufliches
Bis 2004 leitete er das Hauptstadtbüro des Bundes der Steuerzahler in Berlin. Seit Januar 2022 ist er Vorsitzender des Bundesverbands der Steuerzahler – Landesverband Baden-Württemberg.