Die Ansprüche an Apple sind enorm, sagt der Marktanalyst Raimund Hahn. In Sachen Innovationskraft könne bislang kein chinesischer Hersteller mithalten.

Digital Desk: Jörg Breithut (jbr)
Stuttgart – - Herr Hahn, lässt die Innovationskraft bei Apple langsam nach?
Die Innovationskraft von Apple ist unvermindert hoch. Das ist allein schon daran zu erkennen, dass praktisch alle Innovationen, die von Apple kommen, das Maß der Dinge für die gesamte Branche darstellen und von den anderen Herstellern mehr oder minder kopiert werden. Selbst wenn einzelne Anbieter mit einer Idee temporär vorpreschen, wird das jeweilige Feature erst dann zum Must-have, wenn es von Apple auf den Markt gebracht wird. Ein Beispiel: Der Fingerabdrucksensor gehört seit der Einführung durch Apple zum Branchenstandard. Ich sage das Gleiche für Iris-Scanner und drahtloses Laden voraus. Es gibt heute schon Smartphones mit diesen Technologien, aber erst Apple wird sie auf dem Massenmarkt etablieren.
Raimund Hahn Foto: StZ
Die Reaktionen auf das iPhone 7 ware ja eher verhalten. Sind die Ansprüche an Apple zu hoch?
Der Anspruch der Apple-Fans, der Öffentlichkeit, der Medien und der Investoren an die Innovationskraft des Unternehmens ist in den letzten Jahren massiv gestiegen und steigt weiter. Immer öfter breitet sich Enttäuschung aus, wenn Apple dieses oder jenes umwerfende Feature nicht bieten kann. Aber es gibt auch keinen Anbieter, der an Apple vorbeizieht. Die von Apple in Massenproduktion angebotenen Innovationen stellen die technologische Spitze dessen dar, was derzeit auch unter Design- und Kostenaspekten machbar ist. Bestes Beispiel hierfür sind die Airpods (Anm. d. Red.: kabellose Kopfhörer). In der Ära Steve Jobs wären sie als Meilenstein der Technologiegeschichte gefeiert worden, heute werden sie angesichts der gestiegenen Erwartungen als „ok product“ bewertet.
Apple und Samsung haben sich lange den Platz an der Spitze geteilt. Wird sich das ändern?
Natürlich, die Frage ist nur wie und wann. Im Moment gibt es keinen Indikator für eine Veränderung vor dem Jahr 2020. Aber es ist klar, dass das Smartphone in der heutigen Form irgendwann in der Zukunft sein Ende finden wird. Und dann werden die Karten neu gemischt. Es ist nicht ausgemacht, dass Apple oder Samsung oder überhaupt einer der heutigen Smartphone-Anbieter in der dann neuen Generation dabei ist. Vielleicht wird es eine Biotech-Company, die die Funktionen eines Smartphones in die Fingerkuppe bringt. Wer weiß das schon?
Sie meinen, die Smartphone-Giganten könnten einen neuen Trend verpassen?
Unternehmen wie Apple oder Samsung verfügen über eine riesige installierte Basis. Das hat viele Vorteile, weil jede neue Generation von zig Millionen Menschen beinahe automatisch gekauft wird. Aber es hat den entscheidenden Nachteil, dass die Anbieter sich gezwungen sehen, auf dieser Basis aufzusetzen, also möglicherweise völlig neue Ansätze schlichtweg übersehen. Wer hätte schon den Niedergang von Blackberry oder Nokia vorausgesagt?
Können Hersteller aus China den Markt aufmischen?
Der Smartphone-Markt ist von Innovationen getrieben, und die kommen in erster Linie aus den USA. Daraus leitet sich für asiatische Anbieter auch weiterhin eine Folgerrolle ab. Das Beispiel Samsung zeigt aber, wie gut diese Rolle funktionieren kann. Huawei, Oppo und Xiaomi haben auch künftig gute Chancen, im Markt mitzumischen. Aber ein asiatischer Markttreiber, der sich an die Spitze der Innovationsspirale setzt, ist beim besten Willen nicht zu erkennen. Es geht nun einmal vor allem um die Innovationskraft als Grundlage für den Markterfolg. Hinzu kommt, dass der Einzug der künstlichen Intelligenz in den Smartphone-Markt in den nächsten Jahren das Marktgeschehen entscheidend bestimmen wird. Sicher spielt Apple mit Siri hier derzeit nicht ganz vorne mit, aber es ist wirklich nicht davon auszugehen, dass Samsungs Viv die Führungsrolle übernimmt, geschweige denn einer der anderen asiatischen Hersteller.