Ironie funktioniert also nicht in Reden?
In den Medien werden nur Bruchstücke aus Reden transportiert. Das ist problematisch, weil bei Ironie die Intonation und der Kontext eine große Rolle spielen. Werden diese Fetzen isoliert, kann das sehr schnell kippen. Zudem kann der politische Gegner das Gesagte lesen, als wäre es nicht ironisch, denn der Wortlaut steht da.

Muss es Grenzen bei Tabubrüchen geben?
Natürlich. Damit spielen die Redner beim Politischen Aschermittwoch ja. Das sind kalkulierte Verletzungen und Beleidigungen, die sozusagen an dieser Tabuschwelle kratzen. Aber da der Politische Aschermittwoch gewissermaßen eine Ausnahmesituation ist, kehrt man am nächsten Tag zur Normalität zurück. Wobei es durchaus einige Sätze von Franz Josef Strauß gibt, die immer noch durch die Presse geistern. Zum Beispiel als er in den 1970er Jahren die sozial-liberale Koalition einmal als „Saustall“ beschimpft hat.

Haben sich die Reden am Politischen Aschermittwoch über die Jahre verändert?
Das hängt stark von der Person des Redners ab. Insgesamt ist das Ausmaß an Unverschämtheiten aber geringer geworden. Politiker sind sehr vorsichtig geworden in all ihren Äußerungen, weil alles durch Medien aufgezeichnet und dann schnell in die ganze Welt verteilt werden kann. Der Tabubruch ist jedoch nur im Moment, in der Situation akzeptabel. Deshalb ist unsere politische Redekultur heute eher langweilig.

Wessen Redestil schätzen Sie besonders?
Ich bin großer Obama-Fan, weil er die Fähigkeit hat, in einer besonderen Art und Weise emotional zu sprechen. Er schreit nie und trägt oft in einem sehr reduzierten, sachlichen Ton vor. Aber er wirkt unglaublich emotional, weil er so anschaulich argumentiert und viele Metaphern und rhetorische Figuren verwendet. Außerdem erzählt er in seinen Reden gerne Geschichten von Menschen. So was haben wir in der Bundesrepublik nicht.

Können deutsche Politiker trotzdem Wähler mit ihren Reden überzeugen?
Natürlich. Lafontaine hat in den neunziger Jahren beim SPD-Parteitag in Mannheim mit einer Rede praktisch den Parteivorsitz für sich reklamiert und dann in der Abstimmung haushoch über Rudolf Scharping gewonnen. Da sieht man schon, welche Kraft eine Rede haben kann. Oder Joschka Fischer. Der ist einer der großen Redner der Nachkriegszeit in Deutschland. Ein ganz anderes Beispiel ist Bundespräsident Joachim Gauck, der es trotz seines pastoralen Typus schafft, eine Nation zu verbinden.

Sie haben Angela Merkel nicht erwähnt.
Man wirft ihr zu Recht vor, sie würde sich in keiner Rede positionieren. Sie verwendet wenig konkrete und oft sehr diffuse Begriffe, ihre Stimme und ihr Auftreten sind stark zurückgenommen. Aber vielleicht war das in den Jahren nach Schröder ein Politikertypus, dem man dadurch Glaubwürdigkeit zugesprochen hat, dass er nicht für Show, Brioni-Anzüge und Zigarren stand. Ich denke aber, dass sich das mittlerweile etwas abschleift. Und das könnte wahlentscheidend sein.