Die Eröffnungen von Milaneo und Gerber stehen bevor, am Dorotheenquartier brummt die Baustelle. Die Folgen für den Einzelhandel beurteilen die Managerin des Milaneo, Andrea Poul, und die Chefin des Handelsverbands, Sabine Hagmann, im Interview völlig unterschiedlich.
28.07.2014 - 11:20 Uhr
Stuttgart – - Von Oktober an locken 200 Geschäfte auf mehr als 45 000 Quadratmeter Fläche Kunden ins Milaneo. Führt die Eröffnung des Einkaufszentrums zum Verkehrskollaps oder stellt sie eine wünschenswerte Bereicherung des Einkaufsangebots in der Stadt dar? Darüber haben Andrea Poul, Centermanagerin der ECE, und Sabine Hagmann, die Hauptgeschäftsführerin des Handelsverbands Baden-Württemberg, diskutiert.
Frau Poul, sie haben erklärt, die massive Kritik am Milaneo habe sie überrascht. Können Sie sich erklären, wie es dazu kam?
Poul Viele Kritiker verbinden das Milaneo mit Stuttgart 21, obwohl es mit dem Bahnhofsprojekt nichts zu tun hat. Hier sehe ich einen wesentlichen Hintergrund. Viele Einzelhändler der Stadt haben verständlicherweise zunächst auch Bedenken, weil hier ein ganz neuer Einzelhandelsstandort geschaffen wird. Man darf aber nicht vergessen, dass es das erklärte Ziel der Stadt Stuttgart war und ist, auf diesem ehemaligen Bahngelände ein lebendiges Stadtquartier mit größeren Einzelhandelsflächen zu schaffen. Als wir das Projekt übernommen haben, gab es Planung und Baurecht schon – unser Projekt haben wir dann als Multifunktionsprojekt mit Wohnungen, Hotel und Büros in enger Abstimmung mit der Stadt entwickelt. Dass jetzt von städtischer Seite ebenfalls Kritik kommt, finden wir sehr schade.
Frau Hagmann, braucht Stuttgart neue Shopping-Center?
Hagmann Objektiv betrachtet haben wir schon genug Einkaufsfläche. Das gilt aber nicht nur für Stuttgart, das gilt für die ganze Republik. Aber wir haben eine soziale Marktwirtschaft und wenn sich Unternehmen vergrößern wollen und Chancen sehen, dann dürfen sie das im Rahmen der Gesetze selbstverständlich tun. Wir haben im Vorfeld der Planungen am Bau des Milaneo Kritik geäußert, weil – aus unserer Sicht – das Einkaufscenter planerisch nicht an die Innenstadt angebunden und integriert ist. Das sah die Stadt Stuttgart aber anders, ebenso der Gemeinderat von Stuttgart, der das Projekt mehrheitlich genehmigt hat. Diese demokratische Entscheidung muss man akzeptieren.
Mit welchen Erwartungen starten Sie in Stuttgart mit dem Milaneo?
Poul Zuerst einmal, das Objekt hat ein Investitionsvolumen von 550 Millionen Euro. Es ist also ganz genau untersucht worden. Es wurden mehrere Einzelhandelsgutachten und Standortanalysen erstellt. Alle sind zu dem Schluss gekommen, die Stadt Stuttgart verträgt sehr wohl noch ein weiteres Einkaufscenter. Dazu kommt die künftige Entwicklung im Europaviertel, in dem sich noch einiges tun wird. Da werden Wohnungen und Arbeitsplätze geschaffen. Das bringt uns die wichtige Grundfrequenz. Ich bin absolut optimistisch. Das Milaneo wird aber nicht von Anfang an ein Knaller sein. Es wäre vermessen, das zu erwarten. Aber nach zwei bis drei Jahren werden wir gute Umsätze liefern, davon bin ich überzeugt. Und: Es gibt Städte, die ziehen deutlich mehr Konsumgeld aus dem Umland in die Stadt. Diese Zentralität wird in Stuttgart in Zukunft sicherlich zunehmen.
Welche Probleme sehen Sie, wenn das Milaneo seinen Betrieb aufnimmt?
Hagmann Ich befürchte, dass es erhebliche verkehrstechnische Probleme geben wird. Natürlich bemüht sich die Stadt, diese zu lösen, doch gänzlich wird ihr das nicht gelingen. Durch die Drehung des Bahnhofs haben wir in den nächsten Jahren eine Dauerbaustelle. Dazu kommt, dass die Heilbronner und die Türlenstraße schon immer Engstellen waren. Ich fahre diese Strecken tagsüber seit Jahren am liebsten gar nicht mehr. Ich bin sehr gespannt, wie sich die Verkehrssituation entwickelt, wenn die Autos für das Milaneo zusätzlichen Verkehr bringen. Fest steht, Handel braucht Verkehr und ich gehe davon aus, dass viele Kunden mit dem Auto kommen werden, auch wenn das Milaneo nahe am Bahnhof liegt.