Nutztiere werden auf Hochleistung gezüchtet. Das mache sie krankheitsanfällig, kritisiert der Agrarwissenschaftler Bernhard Hörning. Er fordert, das bestehende Verbot von Qualzuchten endlich auch auf die Nutztiere anzuwenden.

Berlin – - Der Professor für nachhaltige Entwicklung, Bernhard Hörning, fordert, das bestehende Verbot von Qualzuchten endlich auch auf die Nutztiere anzuwenden.
Herr Hörning, Sie haben eine Studie zur Qualzucht bei Nutztieren vorgelegt. Zu welchem Ergebnis kommen Sie?
Bernhard Hörning Foto: StZ
Die Gesundheit vieler Nutztiere ist leider nicht gut. Und das hat wesentlich mit der Art und Weise zu tun, in der Nutztiere heute gezüchtet werden. Sie werden auf immer größere Leistung gezüchtet, was ihre Gesundheit belastet.
Wie hat sich die Leistung verändert?
Im Jahr 1950 gaben Kühe im Schnitt 3785 Liter Milch im Jahr. Heute sind es 8173 Liter. Das ist eine Durchschnittszahl, es gibt also auch Kühe, die deutlich mehr Milch geben. Hühner legten 1955 knapp 120 Eier im Jahr, heute sind es fast 300. Und Schweine und Masthühner werden so gezüchtet, dass sie sehr rasch Gewicht zulegen.
Wie sehen die gesundheitlichen Folgen konkret aus?
Viele Kühe leiden unter Euter- und Klauenentzündungen und unter Fruchtbarkeitsstörungen. Die sehr großen Euter hindern die Kühe beim Laufen und beim Liegen in den engen Liegeboxen. Kühe leiden auch an Stoffwechselstörungen. Eigentlich brauchen sie kein Kraftfutter. Dann geben sie aber maximal 6000 Liter Milch. Weil die Landwirte aufgrund der geringen Milchpreise höhere Milchmengen wollen, füttern sie viel Kraftfutter. Damit sinkt der Anteil an Raufutter, den die Kuh als Wiederkäuer eigentlich braucht. Und der Mangel an Raufutter erhöht das Krankheitsrisiko. Jede dritte Kuh geht zum Schlachthof, weil sie nicht mehr gesund wird – obwohl sie mit Antibiotika behandelt wurde.
Wie ist die Lage bei Schweinen oder Mastgeflügel?
Da gibt es ähnliche Missstände: Zucht und enge Haltungsform fördern die Krankheitsanfälligkeit. Die rasche Gewichtszunahme führt zum Beispiel dazu, dass Skelett und innere Organe mit dem Wachstum nicht Schritt halten und dann erkranken.
Sie sagten am Beispiel der Kühe, dass die Landwirte die Leistung steigern wollten.
Und das meine ich keineswegs als Kritik. Es herrscht eben seit Jahren ein enormer Preisdruck. Und deshalb wurden die Leistungen der Nutztiere konsequent erhöht. Dass dies der Gesundheit der Tiere schadet, ist aber nur ein Problem. Ein anderes ist, dass damit die genetische Vielfalt schwindet: alte Rassen mit niedrigeren Leistungen werden von den Hochleistung-Tieren verdrängt. Mehr als 90 Prozent aller Milchkühe entfallen auf nur vier Rassen. Früher war es ja so, dass ein Bauer selbst gezüchtet hat. Da wurde zum Beispiel der Deckbulle unter den Höfen getauscht. Das ist längst passé. Ich weiß, dass auch viele Bauern, die konventionell arbeiten, immer mehr Zweifel beschleichen, ob dieses System nicht völlig verfehlt ist. Die sehen ja auch, wie es den Tieren geht und dass sie Antibiotika einsetzen und viel Geld für Tierärzte ausgeben. Das alles zeigt, dass grundlegende Änderungen nötig sind.