Das Interesse an den in der Antarktis vorhandenen Rohstoffen wächst bei vielen Staaten. Das beobachtet Daniela Liggett, Forscherin der University of Canterbury in Christchurch in Neuseeland, mit gemischten Gefühlen.

Ottawa - Die Sozialwissenschaftlerin Daniela Liggett (37) arbeitet am „Gateway Antarctica“ der University of Canterbury in Christchurch in Neuseeland als Dozentin und Forscherin. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist Tourismus in der Antarktis.

 
Frau Liggett, während in der Arktis um Souveränitätsrechte gestritten wird, ist es diesbezüglich in der Antarktis aufgrund der Antarktischen Verträge ruhig. Wird es dabei bleiben?
Bisher hat kein Staat, der dem Antarktischen Vertragssystem beigetreten ist, das System verlassen. Das gilt sowohl für den Antarktisvertrag von 1959, in dem es heißt, die Antarktis soll ausschließlich zu friedlichen Zwecken genutzt werden und nicht Objekt internationaler Streitigkeiten werden, als auch für das Umweltprotokoll von 1991. In diesem verpflichten sich die Vertragsstaaten zum Schutz der Umwelt der Antarktis und verzichten auf eine kommerzielle Erforschung und Ausbeutung von Bodenschätzen. Ich sehe keine Anzeichen, dass ein Staat die Verträge kündigt. Im Gegenteil, wir hatten 2011 und 2012 mit dem Beitritt Malaysias und Pakistans sogar einen Anstieg der Unterzeichnerstaaten.
Wie sind die Hoheitsansprüche einzelner Staaten?
Alle Dispute über Souveränitätsrechte sind, solange der Antarktisvertrag in Kraft ist, zurückgestellt. Sie wurden gewissermaßen in eine Schublade gelegt. Das ist sehr klug, denn es stellt die Parteien, die Ansprüche haben oder glauben, Ansprüche erheben zu können, zufrieden, aber auch die Parteien, die die Gesetzlichkeit jedweder Ansprüche bezweifeln.
Welche Herausforderungen sehen Sie?
Auf die Antarktischen Verträge wirken Kräfte von außen. Ein Beispiel ist das Bio-Prospecting. Dabei geht es um die Entdeckung von Organismen, die in Labors für Forschung oder kommerziell genutzt werden können. Diese Organismen haben sich an die extremen Lebensbedingungen angepasst. Sie leben in eisigen Gewässern, in denen ihr Körper eigentlich gefrieren müsste, aber er tut es nicht wegen der Proteine und Enzyme, die er produziert. Diese Enzyme und Proteine zu gewinnen und in Labors synthetisch herzustellen, wäre für die Medizin, die Arbeit in Labors, aber etwa auch für die Entwicklung von Frostschutzmitteln für Autos durchaus interessant.
Daniela Liggett Foto: privat
In der Arktis dreht sich die Debatte vor allem um Rohstoffe. Wie sieht es in der Antarktis aus?
Gegenwärtig sind sich die Vertragsstaaten bewusst, dass das Umweltprotokoll die Suche nach Mineralien und Kohlenwasserstoffen zu kommerziellen Zwecken und ihre Ausbeutung untersagt. Allerdings haben schon einige Staaten in ihren Forschungsplänen in der Antarktis Interesse an vorhandenen Rohstoffen angedeutet. Dies ist zwar politisch unkorrekt, aber kein Geheimnis. Viele der Staaten, die dem Vertragssystem beitreten, tun dies um sich strategisch für eine rohstoffärmere Zukunft zu positionieren und sicherzustellen, dass sie an einem eventuellen Rennen um die Rohstoffe teilnehmen können, falls sich die Situation ändert. Es ist zu erwarten, dass Rohstoffhunger und die Veränderungen bei den Fördertechnologien in der Zukunft den politischen Druck auf die Vertragspartner erhöhen werden.
Sie befassen sich in Ihren Arbeiten sehr stark mit Tourismus. Im Südsommer 2013/2014 kamen 37 000 Touristen in die Antarktis. Welche Gefahren drohen?
Tourismus wie jegliche menschliche Aktivität in der Antarktis einschließlich der Forschung führt zweifellos zu einer Reihe von Umweltauswirkungen. So müssen wir darauf achten, dass durch Touristen, aber auch durch Wissenschaftler, keine fremden Organismen in die Antarktis transportiert werden. Die International Association of Antarctica Tour Operators zeigt sehr viel Initiative hinsichtlich einer verantwortlichen und strategischen Regulierung des Tourismus in der Antarktis. Die Reiseveranstalter haben selbst starkes Interesse an der Beibehaltung einer spektakulären und unberührten Naturkulisse.