Der geplante europaweite Krisenmechanismus bei Bankenpleiten in der EU ist auf der Zielgeraden. Peter Simon (SPD) der für das Europaparlament die Reform mitverhandelt hat, spricht von einem insgesamt guten Schutz für die Steuerzahler.

Brüssel – - In Brüssel herrscht nächste Woche Hochbetrieb, weil bis Jahresende die Bankenunion stehen soll. Dazu gehören neben dem geplanten System zur Bankenabwicklung auch größere Fonds zur Absicherung von Sparguthaben. Peter Simon sitzt seit 2009 für die SPD im Europaparlament – in den Ausschüssen für Wirtschaft und Regionales. Der 46-jährige Jurist, der unter anderem das Mannheimer Europabüro leitete und an der Spitze der Wirtschaftsförderung der Metropolregion Rhein-Neckar stand, ist ein wichtiger Beteiligter an diesem Prozess. Im Interview beschreibt er, wie es jetzt weitergeht.
Herr Simon, Sie als Sozialdemokrat arbeiten auf EU-Ebene am Aufbau der Bankenunion mit. Wird die den deutschen Steuerzahler nun eher schützen oder zusätzlich belasten?
Sie wird europaweit, also auch in Deutschland, alle Steuerzahler vor Bankenpleiten schützen, wie wir sie in der Vergangenheit erlebt haben. Nicht mehr sie werden bei einer Bankenrettung zuerst herangezogen, sondern jene, die in guten Zeiten profitieren – nämlich Eigentümer und Gläubiger.
Gerade beim Thema, für das Sie im Europaparlament zuständig sind, gibt es seit der Zypernkrise die Sorge, dass nun Sparguthaben herangezogen werden könnten. Zu Recht?
Peter Simon Foto: EU-Parlament
Die Gedankenspiele in Zypern, Sparer mit Einlagen unter 100000 Euro heranzuziehen, haben in ganz Europa Verunsicherung ausgelöst. Zu Recht wurden sie schnell wieder verworfen, denn dies wäre ein Tabubruch. Wir haben in der EU eine Garantie der Einlagen bis 100000 Euro. Dieses Versprechen hat den deutschen Einlegern die Kanzlerin noch einmal ausdrücklich gegeben – auch schon zusammen mit dem damaligen Finanzminister Peer Steinbrück. Es gilt auch heute, und zwar in der ganzen EU. Es ist jetzt wichtig, das Versprechen mit Geld zu hinterlegen, das nicht Geld des Steuerzahlers ist. Die Banken müssen in guten Zeiten etwas ansparen, damit im Pleitefall eines Instituts Einleger nicht mit Steuergeld ausbezahlt werden, sondern mit dem der Banken selbst.
Am Dienstag steht die entscheidende Verhandlungsrunde mit den EU-Staaten an? Was ist schon klar, was noch strittig?
Wenn wir das Gesetz zu Ende bringen, haben wir das Prinzip etabliert, dass Banken selbst für die Einlagensicherung in einen Fonds einzahlen. Für das Europaparlament war auch wichtig, dass Einleger im Pleitefall schneller an ihr Geld kommen – schon nach sieben Werktagen statt bisher 20 Werktagen. In der Zwischenzeit muss es künftig auch Notauszahlungen geben, so dass niemand ohne Geld auf der Straße steht. Wir kämpfen jetzt noch darum, dass in diese nationalen Fonds, die die Banken ansparen, so viel Geld hereinkommt, dass diese stabil sind und am Ende nicht doch wieder der Steuerzahler haftet.
Um wie viel Geld geht es da?
Ursprünglich hatte das Parlament mehr als 100 Milliarden Euro gefordert – ausgehend von Berechnungen der EU-Kommission, wie groß ein Fonds sein muss, um in jedem Mitgliedstaat wenigstens mittelgroße Crashs vom Steuerzahler fernzuhalten. Die jetzt verabschiedete Regelung zur Abwicklung von Banken mit der Heranziehung von Eigentümern und Gläubigern, mit der in der vergangenen Krise fast alle Pleiten ohne Einbeziehung der Steuerzahler und ohne weitere Fonds bewältigt hätten werden können, hat uns aber neue Spielräume eröffnet. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Sicherungsfonds überhaupt eingreifen müssen, ist deutlich geringer geworden. Sie können nun also kleiner werden als ursprünglich gedacht – wie viel kleiner ist im Moment die Streitfrage. Wir als Europaparlament halten knapp 80 Milliarden Euro für angemessen, die Regierungen der Mitgliedstaaten lediglich die Hälfte.
Die Banken klagen derzeit über ihre Belastungen. Bis wann soll der Fonds gefüllt sein?
Die Mitgliedstaaten wollen das über zehn Jahre machen. Ich sage, es hängt von der Größe des Topfes ab – je kleiner desto schneller. In Gesprächen haben mir die Vertreter der verschiedensten Banken signalisiert, dass sie europaweit rund 7,5 Milliarden Euro im Jahr schaffen können.
Sie reden von Spielräumen. Kann der Einlagensicherungsfonds auch zur Bankenabwicklung oder Restrukturierung verwendet werden?
Wenn wir vor der Wahl stehen, ob eine Bank abgewickelt wird und der Einleger nur seine Einlagen bis 100000 Euro ausbezahlt bekommt, oder mit demselben Geld die Bank restrukturiert wird und dem Kunden überhaupt kein Nachteil entsteht, bin ich dafür. Dann kann ein Teil der Mittel des Sicherungsfonds dazu verwendet werden.
So arbeitet ja auch die Institutssicherung der Sparkassen und Volksbanken. Können diese ihr System nun also weiterführen?
Die ersten Pläne der EU-Kommission trugen den Anliegen der Sparkassen und Genossenschaftsbanken in keiner Weise Rechnung – ganz im Gegenteil. Die Existenz der seit Jahrzehnten bewährten Institutssicherung stand in Frage. Ich bin sehr froh, dass es mir als Verhandlungsführer des Europaparlaments gelungen ist, das zu verhindern. Auch die EU-Finanzminister haben auf Drängen des Bundesfinanzministers bei ihrer Sitzung vergangene Woche meinen Vorschlag so übernommen. Die Institutssicherung wird nun ein anerkanntes Einlagensicherungssystem und damit dauerhaft europafest. Die ursprüngliche Gefahr ist gebannt.
Das hört sich nach einem Doppelpass mit Wolfgang Schäuble an. Hat er aus Ihrer Sicht letzte Woche also gut verhandelt?
Leider nicht ganz. Sehr unglücklich ist nämlich, dass der Bundesfinanzminister auch der Position des Ministerrates zugestimmt hat, dass institutssichernde Einlagensysteme wie das der Sparkassen einen größeren Fonds ansparen müssen als die Systeme der Privatbanken, die nur der Auszahlung von Kundeneinlagen dienen. Das ist für mich und das Europaparlament inakzeptabel. Es ist auch sachlich durch nichts begründbar, weil die Krise gezeigt hat, dass Sparkassen und Genossenschaftsbanken stabiler waren als andere. Ich werde am Dienstag alles daran setzen, diese ungerechte Ungleichbehandlung zu Lasten von Sparkassen und Genossenschaftsbanken zu verhindern.
Woran könnte das Ganze noch scheitern?
Die Mitgliedstaaten müssen sich in der Frage der Fondsgröße bewegen. Fonds, die einen großen Namen, aber wenig Inhalt haben und deswegen nichts taugen, wird es mit dem Europaparlament nicht geben.