Der Mitgliederentscheid zeige die Zerrissenheit der Partei. Die Zukunft der FDP sei fraglich, sagt der Parteienforscher Jürgen Falter.

Familie, Bildung, Soziales : Michael Trauthig (rau)

Berlin - Philipp Rösler (FDP) hat durch den Mitgliederentscheid Zeit gewonnen, doch die Zukunft der FDP sei fraglich, sagt der Parteienforscher Jürgen Falter.

 

Herr Falter, die FDP-Spitze hat den Mitgliederentscheid gewonnen. Ein guter Tag für die Partei?

In jedem Fall ein guter Tag für den Parteichef. An Philipp Rösler ist der Kelch noch mal vorübergegangen. Bei einem anderen Resultat wäre ihm der Rücktritt nicht erspart geblieben. Von einem guten Tag für die Partei würde ich nicht sprechen. Dafür haben zu viele mit Ja gestimmt.

Ein Signal der Zerrissenheit also?

Es zeigt sich, dass es sehr unterschiedliche Meinungen in der FDP zur Eurorettung gibt. Die Führung muss nun versuchen, die Dissidenten einzubinden. Man muss ihnen klarmachen, dass ihre Sorgen ernst genommen werden. Das ist der erste Schritt. Als Zweites sollten die Personaldebatten aufhören. Mit Letzterem ist freilich überhaupt nicht zu rechnen.

Momentan erfährt Rösler doch Zuspruch.

Jeder Vorsitzender einer Partei, die von 15 Prozent auf drei Prozent abgestürzt ist, steht zur Disposition. Die Enttäuschung über Rösler bleibt. Falls die FDP die Schleswig-Holstein-Wahl im Mai verliert, wird die Führungsfrage erneut gestellt.

Wo liegen Röslers Schwächen?

Seine zurückhaltende, liebenswerte Art ist die größte Schwäche. Er hinterlässt den Eindruck, sich nicht gegen politische Schwergewichte wie Merkel und Schäuble durchsetzen zu können.

Eindrücke können täuschen.

Auch die Fakten sprechen dafür. Vom Steuersenkungsvorstoß der FDP blieb nicht viel übrig. Wenn der Bundesrat das wenige stoppt, wird das wieder Rösler zur Last gelegt.

Mit welchen Themen könnte die FDP denn punkten?

Wenn ich das wüsste, würde ich wohl mit einem liberalen Preis ausgezeichnet. Vielleicht könnte die FDP mit einer Steuerstrukturreform punkten. Das würde aber bedeuten, die eigene Klientel stärker zu belasten.

Wozu brauchen wir noch die FDP?

Als Mehrheitsbeschaffer ist die FDP in absehbarer Zukunft nicht tauglich. Also muss sie etwas Besonderes offerieren, einen ganz eigenen Mix aus Wirtschaftsliberalismus, Sozialliberalismus und Bürgerrechtsliberalismus und das Soziale stärker betonen.

Verschwindet die FDP in der Bedeutungslosigkeit?

Sie hat schon viele Krisen überstanden. So nah am Abgrund war die Partei aber noch nie. Im Prinzip ist sie mit einem Bein schon darüber hinaus. Ich würde nicht wetten, dass sie die Kurve kriegt. Das bedarf in jedem Fall enormer Anstrengungen: Einigkeit, Aktivität, Fantasie und Kreativität sind gefragt.