Wenn wir schon bei Stadienbauten sind . . .
Ja, heute schämt man sich ein bisschen als Brasilianer. Das Maracanã war 1950 rechtzeitig fertig. Aber damals gab es auch die Fifa von heute nicht, und Fußball war noch nicht so eine finanzielle Weltmacht wie heute, mit dieser Unternehmensstruktur. Trotzdem sind heute viele Brasilianer maßlos enttäuscht, dass die Stadien nicht planmäßig fertig wurden. Und hinzu kommt natürlich, dass diese Neubauten einen ganz anderen Charakter haben. Um neue Zuschauer anzuziehen, sind sie Opernhäuser geworden.
Opernhäuser?
Es gibt Sessel, es gibt Kellner, man kann etwas essen, einen Whisky oder ein Bier trinken, es gibt Logen, genau wie in der Oper. Fußball ist heute etwas ganz anderes als früher, als man auf Zementtreppen stand. Ist die Fifa daran schuld? Natürlich nicht. Es ist das Fernsehen, das das Fußballschauen so verändert hat. Fernsehen liefert die Details in High Definition, all diese moderne Technik. Ich hab’s am eigenen Leib erfahren, ich war im Stadion und hab auf die Wiederholung gewartet, aber in der Realität kommt sie natürlich nicht – furchtbar, wenn man dran gewöhnt ist! Und zuhause hat man den Kommentar. Heute im Stadion sitzen, das ist so als würde man griechische Tempel besichtigen, und keiner würde sie einem erklären! Also bleiben viel weg, und ganz andere Schichten kommen: Die Opernhausbesucher.
Sie sagen, Fußball sei ein Lehrmeister an Demokratie. Aber Fußball ist doch nicht bloß das, was auf dem Rasen vor sich geht. Sondern genauso Geschäft und Korruption und Macht und Hinterzimmerpolitik.
Sicher. Aber das sind Dinge, die am Ende keine große Rolle spielen. Was interessiert, ist das Spiel. Das hat seine eigene Dimension. Wie wenn man ein Bild anschaut. Wenn Sie sich in der Alten Pinakothek in München einen Rubens anschauen, ist doch völlig egal, ob Rubens korrupt oder ein Weiberheld war. Das Bild hat seinen eigenen Plan, so wie das Fußballspiel auch. Wenn angepfiffen ist, gewinnt das Spiel seine Realität, die sich ablöst von den Sponsoren, den Geschäftemachern, den Funktionären. Dieser Gedanke ist meine Art, den Fußball von seinen Verunreinigungen zu säubern.