Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Apropos Syrien: Hat US-Präsident Obama mit seinem taktisch unglücklichen Vorgehen dem syrischen Präsidenten Assad zu neuer Stabilität verholfen?
Die Syrien-Politik ist kein Ruhmesblatt. Es ist furchtbar, dass die internationale Gemeinschaft es nicht vermocht hat, dem Morden ein Ende zu setzen. Der Westen hat hier schwere Versäumnisse zu beklagen. Es ist falsch, immer nur die USA vorzuführen, aber natürlich sind sie die Führungsmacht. Auch ihretwegen ist eine Lage entstanden, in der Assad besser dasteht als vor zwei Jahren. Neulich sagte ein hochrangiger britischer Diplomat: Wir haben es zugelassen, dass sich alle mit schweren Waffen ausrüsten konnten – nur die Guten nicht. Das trifft den Kern. Während der Westen das Für und Wider einer Unterstützung der Opposition diskutierte, pervertierte der Konflikt vom Aufstand einer bürgerlichen Schicht zum dschihadistischen Krieg. Jetzt ist guter Rat teuer.
Was bedeutet der Auftritt von Bundespräsident Gauck – dass die frühere Wehrkundetagung eine unverzichtbare Showbühne für deutsche Außenpolitik geworden ist?
Dies war sie schon immer. Aber wenn erstmals ein Bundespräsident die Konferenz in aller Form eröffnet, gibt das der Sache einen besonderen Glanz. Es ist eine besondere Auszeichnung zum Jubiläum und eine großartige Würdigung unseres Versuchs, mit der Konferenz – die ja von einigen Kritikern als Treffen zur Kriegsvorbereitung gewertet wird – zur Konfliktprävention beizutragen.
Gehört Deutschland in die erste Reihe der internationalen Diplomatie, und wird diese Rolle zufriedenstellend ausgefüllt?
Der Hauptwesenszug deutscher Außenpolitik in den letzten Jahrzehnten war ihre Berechenbarkeit. Infolge der Krise in Europa ist das Gewicht Deutschlands gewachsen. So sind auch die Erwartungen der Welt an die deutsche Führungskraft gestiegen. Das ist nicht nur angenehm, weil wir in der Tradition unserer Außenpolitik immer gerne hinter dem Schutzschild der USA und anderer die zweite Geige spielten. Das Ziel kann jetzt nicht sein, in einer hervorgehobenen Gestaltungsrolle zu brillieren – stattdessen muss die Bundesregierung darauf Einfluss nehmen, dass die Europäische Union als außen- und sicherheitspolitischer Akteur Glaubwürdigkeit annimmt und klare Ziele definiert. Es ist die Chance Deutschlands, als Schwergewicht in der EU zu wirken. Das ist noch viel Luft zur Verbesserung.
Welche neuen Akzente erwarten Sie von Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen?
Die deutsche Außenpolitik in Europa massiv zum Tragen zu bringen, liegt ihnen am Herzen. Ich würde mir aber auch wünschen, dass wir in der Zusammenarbeit der Verteidigungsministerien von Strukturen des 19. Jahrhunderts wegkommen, wo jeder Staat seine nationalen Armeen pflegt. Warum sind wir nach 50 Jahren immer noch nicht so weit, auf dem militärischen Feld das Prinzip der Integration zum Leben zu erwecken? Da kann Europa zeigen, dass dieses Prinzip hilfreich ist, um Geld zu sparen. Wir geben unsere Steuergelder gerade in diesem Bereich nicht besonders effizient aus. Da ist auch noch viel Spielraum.