Wolfgang Ischinger, der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, lockt fast 20 Staats- und Regierungschefs sowie mehr als 50 Außen- und Verteidigungsminister nach Bayern. Im Interview spricht er über das Abhören unter Freunden.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Ende Januar treffen sich wieder zahlreiche Regierungschefs, Minister und Sicherheitsexperten in München, um über Lösungen für die großen globalen Konflikte nachzudenken. Organisator ist der frühere Diplomat Wolfgang Ischinger – ein umtriebiger Schwabe. -
Herr Botschafter, jedes Jahr strömt mehr politische Prominenz nach München – was ist Ihr Erfolgsgeheimnis? Oder ist das Gipfeltreffen ein Selbstläufer geworden?
Ich glaube, Letzteres ist der Fall. Der enorme Zulauf, der in diesem Jahr alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt, ist der Tatsache geschuldet, dass diese Konferenz in 50 Jahren ein Markenzeichen geworden ist – eine Veranstaltung, bei der man dabei sein muss, wenn man zur internationalen Gemeinde der Außen- und Sicherheitspolitiker zählen möchte.
Sie müssen nicht mehr dafür werben?
Das ist trotzdem notwendig. Wir stellen uns der Aufgabe, die Staatsmänner und -frauen nach München zu locken, die zu einem aktuellen Konflikt Entscheidendes zu sagen haben. Diese Persönlichkeiten zu identifizieren und zu gewinnen, ist harte Überzeugungsarbeit. Da hilft mir ein über 40 Jahre aufgebautes Netzwerk; viele Kollegen aus der Bundesregierung und befreundeten Staaten unterstützen mich.
Es wird viel geredet und wenig beschlossen.
Die Sicherheitskonferenz kann, will und darf kein Entscheidungsgremium sein – damit würden wir uns überheben. Aber gerade weil wir nicht stundenlange Verhandlungen über ein Abschlusskommuniqué führen müssen, können wir uns auf die Fragen konzentrieren: Können wir bestimmte Partner zusammenführen, die sich in der Debatte zu neuen Ufern aufmachen?
Wie hoch ist der Anteil der Diplomatie im Verhältnis zur öffentlichen Diskussion?
Mindestens genauso wichtig wie die Auftritte auf der Bühne sind die Gespräche hinter den Kulissen. Alle Konferenzteilnehmer sind in demselben Saal und begegnen sich zwangsläufig – da trifft sich fast jeder mit jedem. Klug planende Premierminister oder Verteidigungsminister nehmen sich vor, an den zwei Tagen sechs bis zehn separate Gespräche zu führen. Das erspart so manche Auslandsreise. Für viele ist das ein gewichtiger Anreiz.
Wenn Sie alle Konfliktherde der Welt zugleich in den Blick nehmen, droht die Veranstaltung doch beliebig zu werden?
Das ist in der Tat eine große Herausforderung. Wir können nicht alle Themen der Weltpolitik angehen. Da muss man den Mut haben, bestimmte Dinge links liegen zu lassen. Mit den gelegentlichen Vorwürfen diesbezüglich muss ich leben. Zudem platzt die Konferenz langsam aus allen Nähten, weil wir neue Partner hinzugewinnen, aber die anderen aus der transatlantischen Gemeinde nicht fallen lassen wollen.
Was war bisher Ihr persönliches Highlight aller Sicherheitskonferenzen?
Für die Phase seit 2008, in der ich für die Konferenz verantwortlich bin, nenne ich drei Dinge: erstens das Erfolgserlebnis mit dem Neustart der amerikanisch-russischen Beziehungen nach 2009, ausgelöst durch einen Auftritt von US-Vizepräsident Joe Biden. Zweitens vor zwei Jahren den unglaublich packenden Versuch aller an dem Syrienkonflikt beteiligten Regierungen, in zahllosen Gesprächen eine Einigung herbeizuführen, um später im Sicherheitsrat zu einer Lösungsstrategie zu kommen – selbst wenn dies nicht gelungen ist. Drittens werden wir in diesem Jahr ein wirklich historisches Event erleben: Nach so viel Konflikt auf dem Balkan werden der serbische und der kosovarische Ministerpräsident wie ich hoffe in trauter Eintracht mit der EU-Vermittlerin Lady Ashton in München auftreten. Auf diesen Moment freue ich mich besonders, weil ich an dem Prozess über viele Jahre beteiligt war.