Im Streit um die Finanzierung der Rheintalbahn erhöht der Bund den Druck auf die baden-württembergische Landesregierung. „Die Mehrkosten für Lärmschutz müssen 50:50 aufgeteilt werden“, fordert Michael Odenwald, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Die Sonderwünsche der Anwohner werden teuer. Auf 6,2 Milliarden Euro war der Ausbau der Rheintalbahn zunächst veranschlagt. Für Lärmschutz und andere Maßnahmen erhöhen sich die Kosten wohl um einen weiteren Milliardenbetrag. Die Hälfte davon soll das Land übernehmen, verlangt die Bundesregierung. Von mindestens 300 Millionen Euro ist die Rede. Der Finanzbedarf kann aber noch deutlich höher liegen. Heute entscheidet das Kabinett.

 
Herr Odenwald, am Dienstag befasst sich das Kabinett in Stuttgart mit der Rheintalbahn. Kommt das Vorhaben endlich voran?
Die Rheintalbahn ist Deutschlands wichtigste Güterstrecke. Der Ausbau dieser Strecke ist notwendig, wenn wir es ernst meinen damit, mehr Güter von der Straße auf die umweltfreundliche Schiene zu bringen. Das Vorhaben steht an einer entscheidenden Weggabelung. Wir wollen die Rheintalbahn voranbringen und mehr für die Menschen tun, die entlang der Strecke leben. Wir wollen einen besseren Lärmschutz, der über das gesetzliche Maß hinausgeht und den Bürgern damit bei ihren Kernforderungen entgegenkommen. Dieser zusätzliche Lärmschutz muss vom Deutschen Bundestag beziehungsweise vom Landtag in Stuttgart genehmigt werden. Der Bund und das Land Baden-Württemberg stehen dabei gleichermaßen in der Verantwortung.
Wie bewerten Sie das Engagement des Landes Baden-Württemberg?
Der Bund steht zu seinen finanziellen Zusagen, dasselbe erwarten wir vom Land Baden-Württemberg. Das heißt konkret: die Mehrkosten (Bau- und Planungskosten) – durch die im Projektbeirat erarbeiteten Lösungen für mehr Lärmschutz – müssen 50:50 aufgeteilt werden. Dieser bewährte Weg bei der Rheintalbahn hatte mit der schwarz-gelben Vorgängerregierung gut funktioniert, jetzt muss Grün-Rot die Weichen entsprechend stellen.
Der Streit über die Ausbaukosten erinnert fatal an ein Schwarzer-Peter-Spiel. Warum gibt sich der Bund bei diesem Bundesprojekt so zugeknöpft?
Das Gegenteil ist der Fall. Der Bund ist bei der Rheintalbahn sehr aufgeschlossen. Wir hatten damals den Projektbeirat Rheintalbahn gegründet, um die Menschen aktiv zu beteiligen. Wir machen finanzielle Zusagen für die Regionen in Baden-Württemberg, die weit über das hinausgehen, was an Lärmschutz normalerweise geleistet werden muss. Der Bund plant zum Beispiel, den Offenburger Tunnel zu 100 Prozent zu finanzieren. Dies führt zu Mehrkosten von mehr als einer Milliarde Euro. Dieser finanzielle Kraftakt kann sich sehen lassen.
Lassen sich alle Streitfragen zur Zufriedenheit der Anwohner lösen?
Wir haben die Menschen über Jahre hinweg eng in den Prozess eingebunden und konnten viele Streifragen lösen. Der Offenburger Tunnel ist hierfür ein positives Beispiel. Wie groß die Zufriedenheit der Anwohner am Ende sein wird, hängt jetzt von Baden-Württemberg ab. Die Landesregierung ist am Zug, sich zu 50 Prozent an den Mehrkosten zu bekennen: das sind in jedem Fall mindestens 300 Millionen Euro, könnten aber auch am Ende deutlich mehr sein – je nach Lärmschutzvariante und rechtlichen Anforderungen.
Was spricht dagegen, dass die Züge 2030 auf der neuen Strecke rollen?
Bei der Rheintalbahn sind Bund, Land und Bahn bereit, die ursprüngliche Planung der Strecke zum Teil erheblich zu verändern – im Interesse der Bevölkerung. Neue Planungen, neue Planfeststellungsverfahren, all das kostet natürlich Zeit. Deshalb werden die Züge im gesamten Streckenverlauf erst nach 2030 rollen – in einzelnen Abschnitten allerdings schon früher.