Der frühere Weltmeister Thomas Berthold spricht über die U-19-EM, die Ausbildung im deutschen Nachwuchsbereich und die Versäumnisse in den Vereinen.

Stuttgart - Im Spiel um den fünften Platz treffen die deutschen U-19-Junioren bei der EM an diesem Donnerstag (19 Uhr) auf die Niederlande. Bei einem Sieg hätte sich die Mannschaft für die U-20-WM im nächsten Jahr qualifiziert. Für Thomas Berthold (51) wäre das aber nur Schadensbegrenzung. Der Weltmeister von 1990 sieht grundsätzliche Probleme in der Nachwuchsarbeit.

 
Herr Berthold, wie lautet aus deutscher Sicht Ihr EM-Fazit?
Man hatte eindeutig mehr erwartet, aber ein Zufall waren die beiden Niederlagen gegen Italien und Portugal nicht.
Sondern?
Betrachten wir nur einmal die Nachwuchsarbeit in den Vereinen und an den Stützpunkten des Verbandes. Da gibt es enorme Schwankungen, was die Qualität der Ausbildung betrifft.
Können Sie das präzisieren?
Wir haben uns im Jugendbereich seit Jahren an den Spaniern mit ihrem Kurzpassspiel orientiert. Davon bin ich kein Freund, denn darunter leidet zwangsläufig die Flexibilität. Und wissen Sie, was eine weitere Folge davon ist?
Sagen Sie es uns.
Die Defizite ziehen sich durch bis in die A-Nationalmannschaft. Auf einigen Positionen kommt da seit ewigen Zeiten nichts mehr nach – wenn ich nur an die Außenverteidiger oder die Stürmer denke.
Der Fehler liegt also im System?
Die Jugendmannschaften orientieren sich in ihrer Spielphilosophie doch wiederum am A-Team. Und da stelle ich mir dann schon die Frage, ob man so erfolgreich sein kann.
Die Vereine könnten da doch gegensteuern und die Talente besser fördern?
Im Prinzip ja, aber welcher Trainer hat denn den Mumm und sagt: Bei mir spielen die Jungen – selbst wenn die Ergebnisse mal nicht stimmen?
Vermutlich gibt es nicht viele Trainer und Clubs, die so denken?
Eigentlich fällt mir da nur der SC Freiburg mit Christian Streich ein – danach wird die Luft dünn. Bei den meisten geht es eben immer nur um den kurzfristigen Erfolg. Alles andere spielt überhaupt keine Rolle

Das Gespräch führte Thomas Haid.