Eine britische Untersuchungskommission hat die Entscheidung zur Beteiligung an der US-geführten Irak-Invasion 2003 als voreilig kritisiert. Die damalige Regierung unter Tony Blair habe gehandelt, bevor alle „friedlichen Optionen“ ausgeschöpft waren.

London - Die britische Untersuchungskommission zum Irak-Krieg hat die Entscheidung der damaligen Regierung unter Premierminister Tony Blair zur Beteiligung an der US-geführten Invasion 2003 als voreilig kritisiert. Die politische Entscheidung sei gefallen, bevor alle „friedlichen Optionen für eine Entwaffnung“ des Irak unter Machthaber Saddam Hussein ausgeschöpft worden seien, sagte der Kommissionsvorsitzende John Chilcot bei der Vorstellung des Berichts am Mittwoch in London. Zudem seien die Pläne für die Nachkriegszeit „völlig unzureichend“ gewesen, kritisierte der ehemalige Diplomat.

 

Konkret hieß es in dem Bericht: Die These, dass Machthaber Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen besitze, sei mit einer nicht gerechtfertigten Sicherheit vorgetragen worden. Großbritanniens früherer Premier Tony Blair habe sich 2003 vor dem Irakkrieg auf falsche Geheimdienst-Informationen verlassen, hieß es weiter. Die Angaben von Geheimdiensten, der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen, hätten in Frage gestellt werden müssen, sagte der Leiter der Untersuchung, John Chilcot, am Mittwoch in London. Blair habe sie als beweiskräftiger dargestellt, als gerechtfertigt gewesen sei.

Zudem sei die Vorbereitung des Kriegs völlig unzureichend gewesen, und auch für die Vorbereitungen der Nachkriegsphase gelte Ähnliches: „Trotz ausdrücklicher Warnungen wurden die Folgen der Invasion unterschätzt. Die Planungen und Vorbereitungen für einen Irak nach Saddam waren völlig unzureichend“, hieß es dazu in dem bericht. Die Untersuchungskommission urteilte allerdings nicht darüber, ob die Invasion letztlich legal oder illegal gewesen sei.

Die Intervention im Irak 2003 war umstritten – Massenvernichtungswaffen wurden nie gefunden

Der damalige US-Präsident George W. Bush hatte den Irak unter Machthaber Saddam Hussein wegen angeblicher Massenvernichtungswaffen und vermuteter Querverbindungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida angegriffen und Saddam gestürzt. Die Invasion war international heftig umstritten, weil sie nicht durch ein klares UN-Sicherheitsratsmandat gedeckt war. Massenvernichtungswaffen wurden letztlich nie gefunden. Der britische Premier Tony Blair unterstützte die USA bei der Invasion dennoch militärisch. Bereits 2004 kam ein britischer Bericht zu dem Schluss, dass Blair die „Beweise“ der Geheimdienste für angebliche Massenvernichtungswaffen im Parlament aufbauschte.

Bis zum Abzug des britischen Truppenkontingents 2009 kamen 179 britische Soldaten ums Leben. Die Amerikaner beklagen 4500 Tote. Auf irakischer Seite waren es bis zum Abzug mehr als 100 000. Das Land versank danach in Grabenkämpfe zwischen Schiiten und Sunniten, die auch den Aufstieg der Terrormiliz Islamischer Staat begünstigt haben. Sieben Jahre lang hatte die Kommission um Chilcot nun 150 000 Dokumente dazu geprüft und 150 Zeugen befragt.

Britischer Premier Cameron hofft auf Lehren aus der voreiligen Intervention

Der heutige Premier David Cameron sagte, aus dem Fazit der Kommission müssten Lehren gezogen werden. Einige Familien von Hinterbliebenen drückten die Hoffnung aus, dass Großbritannien nie wieder einen solch schweren Fehler mache, das Leben von Briten zu opfern und ein Land in die Zerstörung zu führen. Die Hinterbliebenen von britischen Soldaten, die bei der Invasion ums Leben kamen, hatten gehofft, dass der Bericht den Irak-Krieg als illegal einstufen und damit den Weg frei machen würde für Ermittlungen gegen Blair wegen Kriegsverbrechen. Der Leiter der Untersuchungskommission, John Chilcot, betonte aber ausdrücklich, seine Kommission befinde nicht darüber, ob die Invasion legal gewesen sei.

Ungeachtet der Kritik wertete Blair den Report als Entlastung. Er hoffe, dass der Bericht alle Vorwürfe entkräfte, er habe Lügen oder Täuschung eingesetzt, um die Invasion zu rechtfertigen. Vielmehr habe er die Entscheidung, die USA militärisch zu unterstützen, in gutem Glauben und im besten Interesse des Landes getroffen. Er werde „für Fehler volle Verantwortung ohne Ausnahme oder Ausreden übernehmen“.