Krankenhaus Sindelfingen Ärzte kehren der Klinik den Rücken
Mehrere Mediziner haben das Klinikum Sindelfingen verlassen. Liegt dem ein „Missmanagement“ der Leitung des Klinikverbunds zugrunde, wie manche Ärzte behaupten?
Mehrere Mediziner haben das Klinikum Sindelfingen verlassen. Liegt dem ein „Missmanagement“ der Leitung des Klinikverbunds zugrunde, wie manche Ärzte behaupten?
Wenn der Klinikverbund Südwest ein Schiff wäre, befände es sich in unruhigen Gewässern. Nicht wenige würden angesichts von Umstrukturierungen und Millionendefizit sogar von einem Sturm sprechen. Nun knirscht es offenbar auch atmosphärisch im Schiffsgebälk: Mehrere Ärzte des Klinikums Sindelfingen, die nicht genannt werden möchten, kritisieren gegenüber unserer Zeitung die Arbeitsbedingungen und den Kommunikationsstil der Führung. Manche haben die Klinik bereits verlassen.
Die Vorwürfe, die Mediziner unterschiedlicher Abteilungen formulieren, sind deutlich: Das „Ergebnisverbesserungsprogramm“ zur Reduzierung der Finanznot und der Personalmangel wirkten sich negativ auf die Arbeitsbedingungen aus. „Der Spardruck geht auf Kosten der Mitarbeiter und letztlich auch der Patienten“, betont ein Hinweisgeber, der einst am Klinikum arbeitete und sich von seinem alten Arbeitgeber mittlerweile „gelöst hat“. Zwischen Außendarstellung und Innenleben herrsche eine große Diskrepanz. Für den Informanten gleiche die Führung daher einem „Missmanagement“.
Ärzte gingen seit Jahren wegen des wirtschaftlichen Drucks und der Arbeitsbelastung auf dem Zahnfleisch. „Es wird an den falsche Stellen in unserer medizinischen Arbeit gespart“, so der Arzt weiter. Er wird noch deutlicher: „Dass bei der schwierigen Versorgungslage noch nichts passiert ist, verwundert mich.“ Vielen bliebe keine andere Möglichkeit, als dem Klinikverbund den Rücken zu kehren. „Auch der eigenen Gesundheit wegen“, so die ärztlichen Informanten.
Recherchen unserer Zeitung über gleich mehrere Abgänge am Sindelfinger Klinikum – speziell in der Hämatologie/Onkologie – bestätigt der Klinikverbund auf Anfrage und nennt dabei auch jene Namen. Jeder der Fälle müsse allerdings individuell betrachtet werden. Während es in einem gesundheitliche Gründe gegeben hätte, hätte sich in einem anderen Fall die betroffene Ärztin niedergelassen. In zwei Fällen wiederum kam es tatsächlich zu Wechseln, die auf die kritisierten Dynamiken zurückgehen, wie der Klinikverbund mitteilt: „Zwei Mediziner aus der Abteilung haben den Verbund im Zusammenhang mit dem eingeleiteten Sanierungs- und Konsolidierungskurs verlassen.“
Dass es eine ungewöhnliche Häufung von Abgängen gegeben habe, weist dieser zurück: „2024 standen verbundweit 151 Austritten im ärztlichen Dienst 135 Eintritte gegenüber. Im Jahr 2025 sind es bisher 70 Austritte und 77 Eintritte. Für Sindelfingen waren es 2024 35 Austritte bei 31 Neueinstellungen. 2025 verzeichnet der Standort 16 Eintritte bei elf Abgängen.“ Überhaupt gebe es üblicherweise Marktbewegungen, die Geschäftsführer Alexander Schmidtke so erklärt: „Wechsel von Ärzten in andere Kliniken oder Praxen sind völlig normal. Gerade im Raum Stuttgart, wo sich regelmäßig neue berufliche Herausforderungen bieten, beobachten wir immer wieder eine Fluktuation.“
Auch dass eine Veränderung an der Spitze einer Abteilung eine größere Rochade mit sich bringt, sei nicht ungewöhnlich. „Verlässt ein Chef eine Abteilung, ziehen nicht selten auch einige Ärzte, die vertrauensvoll in einem Team zusammen haben, weiter“, erklärt Schmidtke. In Bezug auf die Hämatologie/Onkologie, die auch unseren Informationen nach unter einem besonderen Aderlass litt, schreibt der Klinikverbund: „Neben dem Wechsel des Chefarztes haben auch drei Oberärzte sowie eine Fachärztin, die zuvor als Assistenzärztin tätig war, den Standort verlassen. Die Chefarztposition konnte bereits neu besetzt werden. Weitere Nachbesetzungen befinden sich in Vorbereitung.“ Um das Personalgerüst stabil zu halten, seien Ärzte innerhalb des Verbunds versetzt, eine Honorarkraft und ab November eine Kraft aus Tübingen eingestellt worden.
Ein Grund, weshalb sich jüngst eine ganze Reihe von Medizinern aus dem Sindelfinger Klinikum verabschiedeten, soll außerdem aus Sicht der ärztlichen Informanten einer mangelhaften Kommunikation geschuldet sein. Versuche, mit der Chefetage vor Ort ins Gespräch zu kommen, hätten wenig eingebracht. Alexander Schmidtke unterstreicht: „Wir können sicher noch besser kommunizieren. Aber ich sage auch deutlich: Es hat viele Gesprächsformate gegeben, bei denen ich im Austausch stand – auch vor Ort.“ Zudem gebe es mit den Klinik-, Ärzte- und Pflegedirektoren immer auch zuständige Ansprechpartner an den jeweiligen Standorten, so der Geschäftsführer. Der Betriebsrat, der ebenfalls eine Adresse für Mitarbeiter mit Sorgen und Kritik ist, wollte sich auf Anfrage unserer Zeitung nicht äußern.
Dass in Zeiten galoppierender Defizite, eines Fachkräftemangels, einer durch die Klinikreform angestoßenen Umstrukturierung der sechs Standorte und nicht zuletzt auch durch den für 2028 geplanten Umzug ins neue Flugfeldklinikum nicht jeder dem Tempo standhalte, sieht Alexander Schmidtke als verständlich an: „Die Umbrüche sind riesig. Mancher ist überfordert, mancher möchte bestimmte Annehmlichkeiten nicht hergeben. Unser aller Ziel ist aber klar: Eine bestmögliche Patientenversorgung. Und ich fühle mich nichts mehr verpflichtet, als diese sicherzustellen – trotz des großen Finanzdefizits.“
Flugfeldklinikum
Die Flugfeldklinik in Böblingen wird als Maximalversorger medizinische Anlaufstelle für rund 560 000 Menschen sein. Sie soll 2028 – drei Jahre später als geplant – fertig sein und rund 800 Millionen Euro kosten.
Finanzen
Der Wirtschaftsplan weist für 2024 ein Minus von 62 Millionen Euro aus. Aktuell befinde man sich mit rund 50 Millionen Euro Minus aber auf einem Weg der Konsolidierung. Die beteiligten Träger, die Kreise Böblingen und Calw, haben dem Klinikverbund mit Geldern ausgeholfen.