Im Auftrag der Bundesregierung haben Fachleute Konzepte ausgearbeitet, wie mehr Geld in die Infrastruktur gelenkt werden kann. Vor allem bei der Frage nach Privatisierungen von Straßen, Tunneln oder Gefängnissen gehen die Meinungen auseinander.

Berlin - Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hatte die Erwartungen an die Expertenkommission im Vorfeld hochgeschraubt: 21 Mitglieder einer Arbeitsgruppe sollten neue Wege weisen, wie der Investitionsstau in Deutschland aufgelöst werden kann. Die Kommission war hochkarätig besetzt. Ihr gehörten Manager wie der Co-Chef der Deutschen Bank Jürgen Fitschen ebenso an wie Vertreter aus der Wissenschaft und von den Gewerkschaften wie der DGB-Chef Reiner Hoffmann.

 

Nach achtmonatiger Beratungszeit hat die Expertengruppe nun ihre Ergebnisse vorgelegt. Es geht nicht nur um die Frage, wie mehr Geld für marode Straßen und öffentliche Gebäude mobilisiert werden kann. Gesucht werden auch Konzepte, um den Rückstand bei privaten Investitionen zu beseitigen. Der Kommissionsvorsitzende Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), sagte, alle Mitglieder seien sich einig, dass es eine große Investitionsschwäche gebe. Fratzscher bezifferte die Investitionslücke in Deutschland auf 90 Milliarden Euro – in dieser Größenordnung fehle es an privaten und öffentlichen Investitionen.

Die Kommission hat kein Patentrezept gefunden

Was kann gegen verfallende Brücken und Straßen und den Mangel an Risikokapital für Existenzgründer getan werden? Es fällt auf, dass auch die Kommission kein Patentrezept gefunden hat. Das liegt auch daran, dass die Regierung bei der Auswahl der Mitglieder streng darauf achtete, dass wichtige gesellschaftliche Gruppen wie Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände berücksichtigt werden. Über die Frage, ob zum Beispiel Straßen, Tunnel oder Gefängnisse privatisiert werden, gibt es im Gewerkschafts- und Arbeitgeberlager unterschiedliche Ansichten. Das ist der Grund, warum die Kommission kein eindeutiges Votum zu öffentlich-privaten Partnerschaften beim Bau von Infrastrukturvorhaben abgeben konnte. Gerade die Banken und Versicherungen hatten sich große Hoffnungen gemacht, die Finanzierung öffentlicher Vorhaben durch private Kapitalgeber treffe auf mehr Offenheit. Tatsächlich sind die Fronten aber unverändert.

Bankchef Fitschen setzt darauf, dass die Politik dennoch konkrete Empfehlungen umsetzt. Dazu gehört der Vorschlag einer Infrastrukturgesellschaft für die deutschen Autobahnen. Das Beispiel der österreichischen Infrastrukturgesellschaft mit Namen Asfinag soll Deutschland übernehmen. Nach diesem Konzept soll der Bau, die Instandhaltung und der Betrieb der Autobahnen künftig in einer Hand liegen. Davon verspricht sich die Expertengruppe mehr Effizienz. Wie in Österreich soll auch das deutsche Pendant die Mauteinnahmen erhalten. Anders als im Nachbarland dürfe es aber keine Mehrbelastung der heimischen Autofahrer geben. Die Kommission hielt sich in diesem Punkt an die Vorgabe der Regierung, wonach der mühsam gefundene Maut-Kompromiss nicht angetastet wird.

Die Finanzierung einer Autobahnholding ist ungeklärt

Da nach dem deutschen Gesetz nur die ausländischen Pkw-Nutzer künftig für begrenzte Mehreinnahmen sorgen, stellt sich die Frage, woher die zusätzlichen Milliardenmittel kommen sollen. Die Kommission spricht sich zwar dafür aus, dass diese Autobahnholding eigene Kredite aufnehmen darf, aber dafür soll sie nicht mit einer staatlichen Garantie ausgestattet werden, meint die Kommission. Damit soll verhindert werden, dass ein neuer Schattenhaushalt entsteht. Die Autobahngesellschaft soll vielmehr in öffentlicher Kontrolle bleiben. Wenn der Staat für die Gesellschaft aber keine Garantien abgibt, fallen auch Vorteile bei der Finanzierung weg.

Bedarf sieht die Kommission vor allem bei den Investitionen der Städte und Gemeinden. Sie schlägt einen nationalen Investitionspakt für Kommunen vor, mit dem die Investitionen in den kommenden drei Jahren um 15 Milliarden Euro erhöht werden. Dies entspreche dem Substanzverzehr. Außerdem soll – ähnlich wie für die Autobahnen – eine Infrastrukturgesellschaft für Kommunen gegründet werden. Diese Gesellschaft soll die Städte und Gemeinden beraten und sie bei Planungen von Infrastrukturprojekten unterstützen. Dahinter steckt auch der Gedanke, die Kommunen könnten künftig den Kapitalmarkt gemeinsam anzapfen und so Vorteile bei der Finanzierung erzielen.

Bürger könnten über Fonds an Projekten beteiligt werden

Fonds sollen auch Bund und Länder auflegen, um mit privatem Kapital Infrastrukturprojekte voranzubringen. Ein Bürgerfonds, der Privatleuten offensteht, könnte beispielsweise bestimmte Vorhaben finanzieren, von dem die Anleger einen direkten Nutzen hätten. Auf diese Weise sollen Anleger bessere Renditen erzielen als etwa mit dem Kauf von Staatsanleihen, meint die Kommission. Dies bedeutet allerdings im Umkehrschluss, dass der Staat den Anlegern im Bürgerfonds höhere Renditen bieten muss als dem Kapitalmarkt.

Die Bundesregierung will nun prüfen, welche Vorschläge sie umsetzt. Das Finanzministerium betonte, die Koalition habe schon ein Investitionspaket im Umfang von zehn Milliarden Euro geschnürt und Hilfen für Kommunen gebilligt.