125 000 neue Arbeitsplätze und dafür soll der Pflegebeitrag auf 2,55 Prozent steigen: die SPD möchte 80 Milliarden Euro in die Infrastruktur und Bildung stecken – ohne neue Schulden.

Berlin - Wer in diesen Tagen Sozialdemokraten auf die Palme bringen will, muss sie nur auf die diversen Pannen im Wahlkampf ihres Kanzlerkandidaten ansprechen. Die Medien, lautet die gängige Klage der Genossen, beschäftigten sich allein mit dem, was bei Peer Steinbrück schief gelaufen sei und kein bisschen mit seinem Programm. Damit sich dies ändern möge, hat der Kanzlerkandidat am Mittwoch sein Kompetenzteam zu einer Art Schattenkabinett-Sitzung versammelt und einen siebenseitigen Beschluss gefasst – einen Beschluss, den Steinbrück aber nicht klassisch auf einer Pressekonferenz in Berlin vorstellte, sondern am Donnerstag über seine Internetseite bekannt gab. Vielleicht hatte ihn ja die Sorge umgetrieben, auf einer Pressekonferenz doch wieder nur die Frage beantworten zu müssen, warum er bisher nicht gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) punkten kann.

 

Das zentrale Anliegen des Beschlusses lautet, dass die SPD nach einem Wahlsieg am 22. September 80 Milliarden Euro im Jahr für Zukunftsinvestitionen ausgeben will – also für „Bildung, Forschung und moderne Infrastrukturen“ im Verkehr oder den Breitbandausbau. Nun sind 1000 Euro je Jahr und Einwohner keine geringe Summe. Dass sie sich durch Wachstum amortisiert, wie die SPD meint, ist zwar durchaus realistisch. Nur muss die Summe trotzdem vorher aufgebracht werden. Und an der Stelle ist das Programm etwas dünn. Es findet sich nur der knappe Hinweis, wonach die 80 Milliarden Euro mehrheitlich privat finanziert werden sollen, wobei unklar bleibt, wie das ablaufen soll. Ausdrücklich betont die SPD aber, dass die Investitionen nicht durch neue Staatsverschuldung erkauft werde. Die Sozialdemokraten setzen neben dem privaten Anteil vielmehr auf Steuererhöhungen, von denen 95 Prozent der Steuerzahler aber nicht betroffen seien, weil die Anhebung des Spitzensatzes bei der Einkommensteuer sie gar nicht erfasse.

Verkehr, Bildung und Pflege sind die Schwerpunkte

Mehr Geld für Investitionen auszugeben, dürfte ganz im Sinne der Fachleute vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sein. Seit 1999, so DIW-Chef Marcel Fratzscher, hat sich in Deutschland ein Investitionsrückstand von etwa einer Billion Euro ergeben: „Die deutsche Wirtschaft steht längst nicht so gut da, wie viele derzeit denken.“ Denn der Rückstand koste jedes Jahr Wachstumschancen von 0,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das heißt: wegen schlechter Straßen, maroder Schienenwege und Mängeln im Bildungswesen entgeht Deutschland ein Potenzial von jährlich 20 Milliarden Euro. Fratzscher betont, dass kaum ein anderes Industrieland der Welt so wenig investiere. Um auch nur den Durchschnitt aller Euro-Staaten zu erreichen, müssten 75 Milliarden Euro mehr investiert werden.

An den Verkehrswegen und dem Bildungssystem setzt das SPD-Konzept auch an. Und wird in puncto Pflege konkret: Der Beitrag zur Pflegeversicherung soll um 0,5 Prozentpunkte auf 2,55 Prozent steigen: „Dies schafft 125 000 neue tarifgebundene Arbeitsplätze für Fachkräfte und eine bessere Qualität der Pflegeleistungen“. Das ist aber eher Zukunftsmusik. Denn derzeit würden Pflegeeinrichtungen nur zu gerne Fachkräfte einstellen – wenn sie sie denn fänden. Dass mehr Menschen in der Pflege arbeiten würden, wenn sie besser bezahlt würden und mehr Anerkennung erhielten, ist zwar realistisch – aber kein Szenario, das sich auf die Schnelle machen lässt