Die Stuttgarter Gewerbemakler stehen vor einem grandiosen Jahresabschluss. Doch rechte Freude will nicht aufkommen. Um das Ergebnis zu halten, fehlen in den nächsten Jahren neue Projekte.

Der Stuttgarter Investmentmarkt hat im Vergleich zum zurückliegenden Jahr noch einmal zulegen können. Das bestätigten jetzt unisono die großen Stuttgarter Gewerbemakler in München am Rande der Expo Real, der größten Fachmesse für Immobilien und Investitionen in Europa. Erwartet wird bis zum Jahresende in der Landeshauptstadt ein Transaktionsvolumen zwischen 1,4 und 2 Milliarden Euro. Dem gegenüber steht aber ein deutlicher Nachfrageüberhang. 'In der Landeshauptstadt mangelt es einfach an neuen Produkten', sagt unter anderem Alexander Veiel, Regional Manager Stuttgart von JLL. Um Grundstücke zu generieren, werden selbst denkmalgeschützte Objekte wie das Eiermann-Areal von den potenziellen Investoren immer wieder geprüft. Doch die Sanierungskosten seien einfach viel zu hoch, um die bestehenden Gebäude wieder in Betrieb zu nehmen. Die fehlenden Grundstücke und Projekte wirken sich zunehmend auch auf den Bürovermietungsmarkt in der Landeshauptstadt aus. 'Da viele Eigennutzer auf eigenem Grund und Boden bauen, ist das, was dann noch an Projekten kommt, derzeit sehr übersichtlich.' Alexander Veiel hofft wie viele seiner Kollegen bereits insgeheim auf die frei werdenden Gleisflächen auf dem Stuttgart-21-Gelände.

 


Doch das wird noch einige Jahre dauern. 'Ich rechne auf absehbare Zeit mit einer großen Durststrecke auf dem Investment- wie Bürovermietungsmarkt', prophezeit Alexander Veiel. Größere Flächengesuche ließen sich schon heute nicht mehr abbilden. Das liege auch daran, dass wir eine ungebrochene Nachfrage aus dem Industriebereich haben. 'Daimler, Bosch und Co mieten, was das Zeug hält.' Alle größeren Flächen, die frei werden, würden angemietet. Vor allem auch in den Teilmärkten Nord und Süd. Das führe dazu, dass der Markt in eine Flächenknappheit hineinlaufe. Auch die nachgelagerten Dienstleister hätten immer größere Schwierigkeiten, ihren Flächenbedarf in Stuttgart zu decken. Veiel schätzt, das rund 200 000 Quadratmeter an Büroflächen in der Landeshauptstadt fehlen. Traditionell würden zuerst die City und der Cityrand belegt. Das liege daran, dass sie zumindest in Stuttgart nicht erheblich teurer seien als die Teilmarktflächen. Das habe sich positiv auf den Standort Nord ausgewirkt, der mittlerweile nahezu vollvermietet sei.


'Wir befinden uns nach wie vor im Flaschenhals'

Diese Entwicklung setze sich jetzt auch im Stuttgarter Süden fort. Auch in Vaihingen/Möhringen und Leinfelden-Echterdingen würden jetzt die Flächen knapp. Das sei eine große Chance für Satellitenstandorte wie Weilimdorf. 'Da geht jetzt zwangsweise der Trend hin.' Von der großen Nachfrage nach Büroflächen in Stuttgart profitiere die Region bislang nicht, obwohl viele Gemeinden versuchen, diese Büronutzer in ihren Gewerbegebieten anzusiedeln. Das mache die Situation für Unternehmen, die Industrie- oder Logistikflächen suchen, noch schwieriger. Auch Markus Knab, Leiter Industrie- und Logistikimmobilien bei Ellwanger & Geiger, sieht keine Entspannung bei den Industrie- und Logistikflächen. 'Wir befinden uns nach wie vor im Flaschenhals', charakterisiert er die Situation. Viele Unternehmen haben erst jetzt realisiert, dass es derzeit keine Möglichkeiten mehr gibt, neue Logistikflächen in der Nähe anzusiedeln. Mittlerweile würde die Suche nach einem Standort auf einen Radius von 60 Kilometern ausgedehnt. Doch sollte auch das fehlschlagen, werde das eine oder andere Unternehmen wohl Stuttgart und der Region den Rücken zukehren. 'Was jetzt nicht gehalten werden kann, wird auch nicht zurückkommen', befürchtet Markus Knab.


Marc Bosch, seit Mai dieses Jahres Vorstandsvorsitzender vom Verband IWS Immobilienwirtschaft Stuttgart, hofft darauf, dass die Stadt gemeinsam mit der Region eine Lösung findet und auch entsprechende Industrie- und Logistikflächen in der Region ausgewiesen werden. Denn die Landeshauptstadt allein werde das nach seiner Überzeugung nicht schaffen. Hier müsse die Region zusammenhalten, auch wenn das noch nicht sichtbar sei. 'Die Region muss an einen Tisch.' Das wäre ein wichtiger Schritt, um weiterzukommen, ist sich Marc Bosch sicher. Peter Tzeschlock, Vorstandsvorsitzender von Drees & Sommer, hat noch einen anderen Vorschlag. Weil gute Flächen in allen Städten rar sind, setzt er auf Revitalisierung des Bestandes. Vor allem die Gebäude aus den 60er und 70er Jahren entsprächen heute nicht mehr den Bedarfen. Anstatt sie abzureißen, werden sie von Grund auf erneuert und an die heutigen Erfordernisse angepasst. 'Das ist die Zukunft für die Städte und den Bedarf', glaubt Tzeschlock. Ines Aufrecht, Wirtschaftsförderin der Landeshauptstadt, sieht die Situation längst nicht so dramatisch wie die Makler. Für die Wirtschaftsförderung zeige eine hohe Nachfrage nach Gewerbeflächen, dass es der Wirtschaft in der Landeshauptstadt gutgehe. Allerdings werde man künftig verstärkt auf Eigentümer von untergenutzten Grundstücken zugehen und auch prüfen, wo im Rahmen des Planungsrechts noch nachverdichtet werden kann.