Der Lenninger Papierhersteller steht – trotz eines innovativen Papierprodukts – mit dem Rücken zur Wand. Wird bis Ende April kein Investor gefunden, droht dem Traditionsunternehmen mit seinen aktuell 340 Mitarbeitern das Aus.

Wirtschaft: Ulrich Schreyer (ey)

Lenningen - Heute werden wieder Investoren bei der Papierfabrik Scheufelen in Lenningen vorbeischauen. Solche Interessenten sind für das insolvente Traditionsunternehmen fast so etwas wie der Strohhalm, an den man sich nun klammern möchte. Ist bis Ende April kein neuer Partner gefunden, der Geld mitbringt, dürfte das Aus besiegelt sein. Die Investoren, die hochwillkommen wären, könnten sowohl strategische Investoren, etwa aus der Branche, aber auch Finanzinvestoren sein, sagt der Geschäftsführer Stefan Radlmayr.

 

Klar ist für Radlmayr aber auch, dass sowohl die Zahl der Mitarbeiter als auch die Kapazitäten drastisch reduziert werden müssen, um für Investoren überhaupt interessant zu sein. Dies könnte bedeuten, dass die Hälfte der jetzt noch 340 Stellen in Lenningen gestrichen wird. Bis jetzt sind die Mitarbeiter für April freigestellt, aber noch nicht entlassen. Doch bis Ende April, so hat Insolvenzverwalter Tibor Braun schon Ende vergangener Woche mitgeteilt, müsse ein Investor gefunden sein.

Zu lange vor Einschnitten zurückgeschreckt

Zu lange, so meint Radlmayr, sei das Unternehmen vor drastischen Einschnitten zurückgeschreckt. Bereits 2014 sollte die Zahl der Mitarbeiter von 650 auf nur noch 250 Beschäftigte reduziert werden. Ein Sozialplan sah dann aber lediglich eine Verminderung der Belegschaft auf 340 Beschäftigte vor. Jetzt, so meint der Betriebsratsvorsitzende Mehmet Simsek, sei die Lage zwar „schwierig, aber nicht hoffnungslos“. Das spürt auch, wer mit Miteigentümer Ulrich Scheufelen über das Werksgelände geht: Von Verbitterung ist nichts zu merken, man grüßt sich schon aus der Ferne freundlich. Für ältere Mitarbeiter dürfte es schwierig werden, eine neue Stelle zu finden, für andere dagegen gibt es nach den Angaben des Betriebsratsvorsitzenden bereits Anfragen von Firmen aus der Umgebung: „Wir müssen versuchen, auf jeden Fall die Leute in Schlüsselpositionen bis Ende April zu halten.“

Auch Simsek arbeitet schon länger an einem Projekt mit, auf dem die ganze Hoffnung des Unternehmens ruht – an der Herstellung von Verpackungspapier aus Gras. Heute kann er dies auch den Abgesandten der Investoren erläutern, die zu dem Gespräch ins Lenninger Tal kommen – erstmals ist auch der Betriebsratsvorsitzende dabei. Doch wie schnell frisches Geld nötig ist, das macht Radlmayr an einem Bespiel klar. „Wir brauchen jeden Monat 6,5 Millionen Euro, um genügend Material für unsere Papiermaschine zu kaufen“, sagt der Geschäftsführer. Dass nur noch gegen Vorkasse geliefert wird, macht die Sache nicht einfacher. „Hätten wir noch sechs Monate Zeit, dann hätten wir es geschafft“, meint Radlmayr. So lange könnte es dauern, bis die ersten Früchte der Beschäftigung mit Graspapier geerntet werden könnten. Bei dieser Papiersorte ist Scheufelen nach eigenen Angaben weltweit der einzige Hersteller, der das Papier so aufbereiten kann, dass es auch mit Offsetmaschinen bedruckt werden kann.

Viele Vorteile zu erkennen

Vorteile sieht Radlmayr beim Blick auf diese Papiersorte, die zur Hälfte aus Heupellets und zur Hälfte aus Zellstoff von Bäumen besteht, viele: Man könne Gras von Flächen verwenden, die nur für Landschaftspflege genutzt würden, anstatt Bäume fällen zu müssen, Grasfaser wachse schneller nach, Chemikalien müssten bei der Verarbeitung nicht verwendet werden. Zudem werde weniger Wasser und Energie verbraucht als bei der Erzeugung von Papier aus Zellstoff. Und für Scheufelen ebenfalls interessant: Eine Tonne Grasfaser kostet laut dem Geschäftsführer zwischen 150 und 220 Euro, eine Tonne Zellstoff zwischen 580 und 680 Euro.

Im vergangenen Jahr sei man schon einen guten Schritt vorangekommen gewesen, sagt Radlmayr: „Wir hätten wohl die Gewinnschwelle erreicht, wären die Zellstoffpreise nicht um 30 Prozent gestiegen.“ Tatsächlich standen die Zeichen offenbar auf Besserung: 2015 musste noch ein Verlust von 25 Millionen Euro in die Bücher geschrieben werden, 2016 waren es nur noch sechs Millionen. Doch während immer weniger Papier für einfachere Produkte wie viele Kataloge nachgefragt wird, weil vieles eben online gelesen wird, steigt die Nachfrage nach Zellstoff – da immer mehr über das Internet verkauft wird, nimmt die Nachfrage nach Verpackungspapier zu.

Hochwertige Papiere allein lasten die Maschine nicht aus

Scheufelen ist Spezialist für hochwertige Papiere – doch allein damit kann die Maschine in Lenningen nicht ausgelastet werden. Die ganze Hoffnung ruht deshalb auf Graspapier, das beispielsweise für Lebensmittelverpackungen verwendet werden könnte. Falls kein Investor gefunden werde, könne der Betrieb vielleicht „auf kleiner Flamme weitergehen“, meint Ulrich Scheufelen. Bei dem 1855 gegründeten Traditionsunternehmen, das mehrheitlich einer Gruppe um die Schwäbisch Haller Familie Schaeff gehört, sitzt er zusammen mit seinem Geschäftsführer im Verwaltungsgebäude einer Fabrikanlage aus der Frühzeit der Industrialisierung: „Aber mit unserem Graspapier sind wir eigentlich ein Start-up“, meint Radlmayr.