Böblingen/Waiblingen - Es ist wieder ruhig geworden in Böblingen. Das merke man schon, sagt Achim Kurz vom Schuhladen Kurz in der Böblinger Innenstadt. In den vergangenen anderthalb Wochen wäre „ein bisschen mehr los gewesen, als man sonst für diese Jahreszeit erwarten konnte“. Die meisten Menschen hätten wohl vorhergesehen, dass das Einkaufsglück im Landkreis nur von kurzer Dauer sein könnte.
Im Landkreis Esslingen ist jetzt nur noch „Click and collect“ erlaubt
Genauso kam es: Nach genau zehn Tagen beziehungsweise neun Werktagen müssen die meisten Händler aus Böblingen, Sindelfingen, Herrenberg, Leonberg und den anderen Kommunen im Kreis wieder schließen. Kurz zusammengefasst sind das all jene, die keine Gegenstände des täglichen Bedarfs verkaufen – wie etwa Supermärkte und Drogerien. Auch Gartencenter, Buchhandlungen oder Friseursalons bleiben geöffnet.
Weil der Inzidenzwert im Kreis Böblingen drei Tage lang über der kritischen 50 lag, kann in Mode-, Schuh- oder Elektrogeschäften seit Donnerstag nur noch mit vorher vereinbartem Termin eingekauft werden. Das Konzept nennt sich „Click and Meet“ und wird schon seit vergangener Woche etwa in Stuttgart und dem Landkreis Ludwigsburg angewandt. Im Kreis Esslingen ist jetzt aufgrund der Inzidenz von über 100 sogar nur noch „Click and Collect“ erlaubt, also das Abholen von vorbestellter Ware an der Ladentür.
Manche Selbstständige stehen vor der Pleite
„Vielen ist die neue Regelung noch nicht klar, die kommen einfach und wir erklären es ihnen dann“, sagt Achim Kurz vom Böblinger Schuhladen. Von der Möglichkeit, online Termine zu vereinbaren, würden bisher nur wenige Menschen Gebrauch machen. Frustrierend sei die erneute Restriktion allemal: „Man arbeitet nicht mehr wirtschaftlich.“ Und vom Staat erhalte man nur wenig Unterstützung.
„Das ist der absolute worst case“, der schlechtmöglichste Fall, sagt Bettina Schmauder, die Landespräsidentin des Bundes der Selbstständigen (BdS). Erst vergangene Woche hätten die Einzelhändler unter anderem im Kreis Böblingen und im Rems-Murr-Kreis wieder voll gestartet, hätten hohe Anforderungen erfüllt und neue Kampagnen gestartet – und nun sei wieder Schluss – beziehungsweise: so gut wie Schluss.
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Im Rems-Murr-Kreis sind die Läden noch geöffnet, allerdings liegt die Betonung auf: noch. Denn der Inzidenzwert steigt auch dort an – und Stand jetzt ist von Montag, 22. März, an auch dort Schluss mit dem sorglosen Einkaufen.
„Für manche könnte das der Nagel am Sarg sein“, mahnt Bettina Schmauder. Beim Bund der Selbstständigen gehe man davon aus, dass einige Händler und Dienstleister wegen des erneuten Rückschlags ihre Geschäfte aufgeben müssen. „Die Akzeptanz und Toleranz schwindet auch massiv, dass sich in Supermärkten, Drogerien oder Gartencentern nach wie vor die Leute tummeln dürfen, in anderen Geschäften aber nicht.“
Forderung nach anderen Kriterien als nur dem Inzidenzwert
Die BdS-Landespräsidentin will gar nicht kleinreden, dass auch der Handel mit dafür verantwortlich sein könnte, dass der Inzidenzwert derzeit wieder wächst, „mit jedem Kontakt steigt die Gefahr der Ansteckung“, sagt sie deutlich. Allerdings müsse man in die Abwägung so langsam auch andere Kennzahlen einfließen lassen als nur den Inzidenzwert, verlangt sie. Eine Idee sei es, mit steigender Impfquote auch einen höheren Inzidenzwert zu „erlauben“, eine andere Idee, sich nach der Auslastung auf den Intensivstationen oder der Übersterblichkeit zu richten. „Der Inzidenzwert bildet das Pandemiegeschehen nicht mehr richtig ab“, findet sie.
Außerdem müsse in die Entscheidung, wann und wie Läden öffnen dürften, auch einfließen, dass nun sehr breit getestet werde und das Impfen an Fahrt aufnehme. Zusätzlich müsse in Baden-Württemberg die Luca-App zur Nachverfolgung möglicher Infektionsketten schnellstmöglich zum Einsatz kommen. „Sonst sehen wir gar keine Perspektive mehr“, mahnt Bettina Schmauder.
Die Terminvereinbarung ist für Händler ein großer Aufwand
Auch bei der IHK hören die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nun immer öfter die Frage, warum man die Öffnungen im Einzelhandel ausschließlich an Inzidenzwerten festmache. „Gerade im Fachhandel wurden ja auch Hygienekonzepte erarbeitet, für die viel Zeit und auch Geld investiert wurde“, erläutert Marion Oker, die leitende Geschäftsführerin der IHK Region Stuttgart, Bezirkskammer Böblingen.
Vergangene Woche habe im Landkreis die „totale Euphorie“ geherrscht, berichtet Oker. „Die Händler haben sich über die niedrige Inzidenz gefreut und darüber, dass sie wieder aufmachen dürfen.“ Dass nun wieder nur Einkaufen mit Termin möglich ist, sei „ein herber Schlag“.
„Für viele Kunden ist die Terminvereinbarung schwer vorstellbar und für die Händler ist es ein großer Aufwand“, sagt sie. Durch die neue Regel falle beispielsweise weg, dass jemand durch die Innenstadt flaniere und dann spontan in ein Mode- oder Schuhgeschäft hineinschaue – auch dann, wenn er nichts zwingend benötige, erläutert Marion Oker.
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