Edel und intim – das Restaurant Irma La Douce im Rotlichtviertel von Stuttgart ist eine Bereicherung für die Altstadt.

Stuttgart - Nein, Sex im Auto habe sie nicht anzubieten, wehrt die Prostituierte ab. „Nur im Zimmer“, ruft sie dem BMW-Fahrer zu, der in Schrittgeschwindigkeit an ihr vorbeirollt und dann plötzlich Gas gibt. Die käufliche Liebe ist in Stuttgarts Leonhardsviertel zu Hause, doch das hat Restaurantchef Toni Wahl bei der Suche nach einem neuen Lokal nicht abgeschreckt – im Gegenteil. „Die machen ihr Geschäft, wir das unsere“, sagt der 27-jährige Gastronom, der im Rotlichtbezirk das Irma La Douce übernommen hat und länger durchhalten will als sein Vorgänger. „Die Lage hat Charme“, ist der Gastronom überzeugt und bietet Haute Cuisine im holzgetäfelten Herrenzimmer. Größer könnte der Kontrast kaum sein: drinnen entspanntes Dinieren im Schein des Silberleuchters, draußen nervöses Netzstrumpfgetrippel auf dem Bürgersteig.

 

Französische Küche bietet das intime Lokal im Gründerzeitbau, und das hat seinen Preis. Wir finden einen Platz im Separee, wo die Bestellungen prompt aufgenommen werden. Die Riesengarnelen seien aus, entschuldigt der Ober. Das lässt sich verschmerzen. Die Vorspeisenvariationen aus Frühlingsgemüse, Jakobsmuscheln und Krebsschaumsüppchen (16,90 Euro) überzeugen auch so. Ein Hauch Zitronengras, etwas Kerbel – der Einstieg ist edel, die Weinempfehlung auch. Die Riesling Spätlese trocken aus der Terrassenlage Stettener Pulvermächer (0,1l für 4,40 Euro) tänzelt im Gaumen, ein solider 2010er aus dem Weingut Karl Haidle. Rustikal kommt der mit Pesto gratinierte Ziegenkäse daher – auf Pumpernickelscheiben (13,80 Euro). Die cremige Leckerei wird mit einem Wildkräutersalat serviert.

Filetierkünste

Seine Filetierkünste stellt der Kellner bei der bretonischen Seezunge unter Beweis. Grätenfrei, in Rosmarin und Limettensaft mariniert, schmiegt sie sich an den Blattspinat und die schnucklig kleinen Petersilienkartoffeln (27,50 Euro). Besser könnte es in Frankreich, direkt am Meer, auch nicht schmecken. Auch der gebratene Rücken vom Ibericoschwein (25,80 Euro) ist ein Genuss. Um die zwei saftigen Scheiben sind zuckersüße Babykarotten und handgeformte Spinatgnocchi drapiert. Ein paar Löffel schaumige Soße mit Dijonsenf runden das Arrangement optisch und geschmacklich ab. Nicht nur gutes Essen, auch guter Kaffee macht glücklich. Die epochale Elektra-Maschine mit den Messingflügeln sei so empfindlich wie eine Diva, verrät der Kellner. Glücklicherweise ist sie heute gut gelaunt.

Der Koch Sven Scheidemann ist mit Toni Wahl nach Stuttgart gekommen. Aus seinem Lokal in Winnenden-Breuningsweiler musste der Gastronom raus, weil der Vertrag ausgelaufen war. Die Krone in Hanweiler betreibt er aber weiter. „Für uns ist das hier ein Sechser im Lotto“, schwärmt Wahl vom Irma la Douce und hat ein bisschen Luxus ins Leonhardsviertel gebracht.

Irma La Douce, Katharinenstraße 21b, 70182 Stuttgart, Tel. 4 70 43 20, geöffnet Mo bis Fr 11.30–14.30 Uhr sowie 17.30–23 Uhr, Sa. So 17.30– 23 Uhr, www.irmaladouce.de

Die Bewertung:

Küche ****

Service ***

Ambiente ****

***** = herausragend, **** = überdurchschnittlich, *** = gut, ** = Luft nach oben, * = viel zu verbessern

Die Beurteilung berücksichtigt auch das Preis-/Leistungsverhältnis. Das günstige Lokal um die Ecke wird nach anderen Kriterien bewertet als ein Sternerestaurant. Der Test gibt Aufschluss über die Tagesform der Küche.