In der pakistanischen Stadt Lahore richtet ein Selbstmordattentäter ein Massaker an. Rund 80 Menschen, darunter viele Frauen und Kinder, sind tot. Viele der rund 300 Verletzten sind in ernstem Zustand. Ein IS-Ableger bekennt: „Wir wollten Christen treffen“

Lahore - Ein neunjähriger Junge, der sich auf die Riesenschaukel im Gulshan-e-Iqbal-Park gefreut hatte, verlor beide Beine. Ein zweijähriges Kind kam ums Leben. „Als ich mich zehn Minuten nach der Bombenexplosion vor die Tür wagte“, beschrieb ein Nachbar des Vergnügungsparks in der pakistanischen Stadt Lahore das furchtbare Blutbad in der Nacht zum Ostermontag in der Hauptstadt von Pakistans Punjab-Provinz, „klebten Leichenreste an der Hauswand.“

 

Fast 80 Menschen – überwiegend Frauen und Kinder – starben, als der 28-jährige Mohammed Yousaf Farid seine mit Sprengstoff, Kugellagern und Nägeln gespickte Selbstmordweste nahe dem Haupteingang zu dem populären Park in Lahore zündete. Rund 300 Menschen wurden verletzt, etwa 200 von ihnen sollen sich in kritischem Zustand befinden.

Extremistengruppe bekennt: Ziel waren Christen

„Vor einem Jahr haben sie unsere Kirche angegriffen“, klagte Lahores Bischof Sebastian Shaw, „jetzt attackieren sie uns in einem Vergnügungszentrum.“ Jedes Jahr ziehen Tausende von christlichen Familien mit Kind und Kegel aus ihren Elendsvierteln in der Umgebung von Lahore zum Gulshan-e-Iqbal-Park. Das farbige Lichtermeer von Riesenrädern, Schaukeln und Achterbahnen ersetzt die Tradition der Ostereier, die bei Pakistans Christen – sie stellen etwa 2,5 der 180 Millionen Einwohner des Landes – weitgehend unbekannt ist.

Doch die Extremistengruppe Jamaat-ul Ahrar, die sich nach der Trennung von den pakistanischen Talibanmilizen TTP als Ableger der Terrortruppe Islamischer Staat beschrieb, verwandelte das christliche Fest der Wiederauferstehung in ein brutales Massaker. „Unser Ziel waren Christen“, rechtfertigte deren Sprecher Ehsanullah Ehsan das Massaker, das auch viele muslimische Opfer forderte, „und es war eine Botschaft für Premierminister Nawaz Sharif. Wir sind in Lahore, und er kann tun, was er will. Er wird uns nicht stoppen. Unsere Selbstmordattentäter werden ihre Angriffe fortsetzen.“

Attentäter soll islamischer Religionslehrer gewesen sein

Offenbar lebte der Selbstmordattentäter, der vor etwa zwei Monaten im Untergrund verschwand, gemeinsam mit einem Onkel und mehreren Brüdern acht Jahre lang in einer islamischen Religionsschule in Lahore. Offiziell versuchen die Behörden seit zwei Jahren, etwa 20 000 solcher Koranschulen unter ihre Kontrolle zu bringen. Bisher war ihnen wie bei ähnlichen Versuchen wenig Erfolg gegönnt.

Dabei gehen seit dem Jahr 2014 die Streitkräfte des Landes massiv gegen islamistische Extremistengruppen vor, die das Land bedrohen. Nach langem Zögern wurden Tausende von Dschihadisten aus Waziristan ins benachbarte Afghanistan abgedrängt. In der Wirtschaftsmetropole Karachi versucht die Armee, paramilitärische Gruppen zu zerschlagen. Das Parlament des Landes übertrug gar der Militärjustiz die Gerichtsbarkeit in „Antiterror-Verfahren“, deren Zuständigkeit denkbar weit ausgelegt wird.

Allerdings hatten die Generäle Premierminister Sharif nach dessen Amtsübernahme gewarnt, dass sie mit ihren Aktionen nur zwei Drittel der extremistischen Gefahr unter Kontrolle bringen könnten. Wie gefährlich das verbleibende Drittel ist, zeigt sich in der Nacht zum Ostermontag nicht nur bei dem Blutbad in Lahore.

In der Hauptstadt Islamabad stürmten nahezu gleichzeitig mit dem Attentat in Lahore mehr als 10 000 Anhänger von Mumtaz Qadri, der am 29. Februar hingerichtet worden war, das als „Red Zone“ bekannte Hochsicherheitsgebiet rund um die Regierungsgebäude. Die Demonstranten forderten die Einführung der islamischen Scharia-Gesetzgebung.