US-Präsident Barack Obama hat den „dummen Krieg“ seines Vorgängers beendet und die US-Truppen aus dem Irak abgezogen. Auf die aktuelle Offensive des Al-Qaida-Ablegers Isis weiß er aber keine Antwort. Er steckt in einem Dilemma.

Washington - Susan Rice, die Sicherheitsberaterin von US-Präsident Barack Obama, nahm den Mund voll. „Keine Nation erreicht die Stärke der USA. Unser konkurrenzloses Netzwerk von globalen Bündnissen und Partnerschaften macht uns zu der einen Nation, an die sich die Welt wendet, wenn Herausforderungen entstehen”, sagte Rice jetzt auf einer Konferenz in Washington. Doch die Ausführungen waren eher akademischer Natur. Zwischen Worten und Taten klafft auch in den USA mitunter eine Lücke.

 

Dem Vormarsch der islamistischen Terrorgruppe „Islamischer Staat von Irak und Syrien“ (Isis) sieht die US-Regierung weitgehend hilflos zu und hat nach Medienberichten die Bitten aus Bagdad um aktiven militärischen Beistand zunächst einmal abgelehnt.

Obama steckt in einem außenpolitischen Dilemma. Sein Wahlversprechen aus dem Jahr 2008 hat er erfüllt und den „dummen Krieg” (Obama) seines Vorgängers George W. Bush beendet. Ende 2011 zogen die letzten US-Kampftruppen ab. Sie verließen ein Land, das im Kontrast zu Bushs hehren Worten keine Insel der Stabilität war.

Bislang erfüllte Washington Bagdad keine Bitten

Auf den eskalierenden Bürgerkrieg findet der amtierende US-Präsident bislang keine Antwort. Er scheint noch abwarten zu wollen. Das macht Obama schon seit Monaten. Bereits im vergangenen Jahr habe die irakische Regierung in Washington darum gebeten, Stützpunkte der Isis mit Drohnen anzugreifen, um den Vormarsch der islamistischen Terroristen zu stoppen, berichtete die „New York Times” unter Berufung auf US-Regierungsbeamte. Im März war bereits von der Anfrage nach US-Kampflugzeugen die Rede. Schließlich soll der irakische Ministerpräsident Nuri al-Maliki Mitte Mai in einem Telefongespräch mit US-Vizepräsident Joe Biden zum wiederholten Mal gesagt haben, er werde es den USA erlauben, Stellungen der Isis aus der Luft anzugreifen.

Doch bislang blieben alle Bitten aus Bagdad unerfüllt. Die US-Regierung will sich nicht mehr als unbedingt nötig in einen unkontrollierbaren Konflikt einmischen, der das Potenzial hat, wieder über Jahre hinweg US-Soldaten im Ausland zu binden. Eine Verwicklung in das irakische Chaos könnte nach Ansicht des Weißen Hauses auch dazu führen, dass die Debatte um eine größere militärische Rolle der USA im syrischen Bürgerkrieg wieder beginnt. Auch würde der Abzug der US-Truppen aus Afghanistan möglicherweise in Mitleidenschaft gezogen. Dort will Obama Ende dieses Jahres den Kampfeinsatz seiner Soldaten offiziell beenden und damit auch sein zweites Wahlversprechen aus dem Jahr 2008 erfüllen. Außenpolitische Hardliner wie der Senator John McCain werfen Obama schon vor, der überhastete Abzug der US-Truppen aus dem Irak habe zur Verschlechterung der Lage beigetragen. Ähnliches drohe demnächst auch in Afghanistan.

Die USA wollen ihre Soldaten aus dem Konflikt raushalten

Dennoch sieht es derzeit danach aus, als würden die USA maximal ihre Waffenlieferungen an die irakische Regierung ausbauen. Raketen werden bereits nach Bagdad geschickt, Kampfhubschrauber und gepanzerte Fahrzeuge könnten demnächst folgen, vielleicht sogar einige Kampfflugzeuge und unbemannte Aufklärungsdrohnen.

Das übergeordnete Ziel der US-Regierung ist es bislang, eigene Soldaten aus dem Konflikt herauszuhalten und auf die Kampfkraft der Iraker selbst zu setzen. Der Sprecher des Pentagons sagte, schlussendlich sei es Aufgabe der irakischen Armee und der Regierung in Bagdad, „zu kämpfen und diesen Feind zu besiegen“. Was allerdings geschehen soll, wenn das nicht gelingt, sagte Oberst Steve Warren nicht. Der schnelle Vormarsch der Isis-Kämpfer in den vergangenen Wochen jedenfalls hinterließ auch in Washington den Eindruck, dass die irakische Armee trotz Ausbildungshilfe durch US-Soldaten nicht in der Lage sein könnte, Widerstand zu leisten.

Diplomaten in Washington warnten bereits vor einer Eskalation des Krieges, wodurch die USA am Ende doch in das Chaos hineingezogen werden könnte. Wenn die Isis-Terroristen die Hauptstadt Bagdad bedrohten, könnte der Moment gekommen sein, sagte der ehemalige US-Botschafter im Irak, James Jeffrey, der Zeitung „USA Today”: „Wenn wir sie (die irakischen Regierungssoldaten) dann nicht aus der Luft unterstützen, dann werden diese Jungs zerrieben.”