Die Enthauptung von 21 Kopten durch die Dschihadisten des so genannten Islamischen Staates stößt weltweit auf Empörung. Ägypten fliegt Angriffe gegen das Nachbarland Libyen. Dort regiert das Chaos.
Kairo - Nach der schrecklichen Massenenthauptung von 21 koptischen Christen durch den Islamischen Staat in Libyen stehen die Zeichen am südlichen Mittelmeer auf Krieg. Ägyptens Luftwaffe flog am Montag Angriffe gegen vermutete Stellungen der Terrormiliz in dem westlichen Nachbarland. Präsident Abdel Fattah al-Sisi rief eine siebentägige Staatstrauer aus und forderte eine „harte Intervention“.
„Wenn man die Zustände in Libyen sich selbst überlässt, ohne die Aktivitäten der Terroristen zu bekämpfen, bedeutet das eine klare Bedrohung für die internationale Sicherheit und für den Frieden“, hieß es aus Kairo. Auch Frankreich und Italien sprachen sich für ein internationales militärisches Vorgehen aus. Die koptische Kirche in Ägypten erklärte, man vertraue darauf, „dass diese große Nation nicht eher ruhen wird, bis die Verbrecher für ihre teuflische Tat bestraft worden sind“.
Der Papst und die Hamas reagieren entsetzt
Mit Entsetzen haben Politiker und Religionsvertreter auf die Enthauptung reagiert. „Sie wurden ermordet, weil sie Christen sind“, sagte Papst Franziskus. „Das Blut unserer christlichen Brüder ist ein Zeugnis des Aufschreiens, ganz gleich ob es Katholiken, Orthodoxe, Kopten oder Lutheraner sind: Sie sind Christen, die mit ihrem Blut Christus bekennen.“ Auch die radikale Palästinenserorganisation Hamas verurteilte die Enthauptung. Es handele sich um ein „grauenvolles Verbrechen“, das das „Ansehen des Islams besudelt und gegen seine Prinzipien der Toleranz verstößt“, erklärte die Hamas.
Die 21 ermordeten Ägypter waren am 31. Dezember und 3. Januar in der Nähe von Sirte gekidnappt worden. Sieben wurden von Bewaffneten aus einem Minibus gezerrt, die übrigen 14 aus ihren Wohnungen geholt, nachdem die Dschihadisten das Viertel gezielt nach Christen durchkämmt hatten. Am Sonntagabend stellte der Islamische Staat dann ein professionell inszeniertes fünfminütiges Video ins Netz, welches die simultane Enthauptung der Opfer zeigt, die zuvor gefesselt und in orangen Overalls von ihren schwarz gekleideten Henkern zum Hinrichtungsort am Mittelmeerstrand paradiert worden waren. Am Ende ist das Meerwasser zu sehen, wie es sich mit Blut mischt. Einer der Täter, der einzige in Tarnuniform, deklamierte auf Englisch in die Kamera: „Zuletzt habt ihr uns in Syrien gesehen, wie wir Köpfe abgeschnitten haben. Jetzt schicken wir euch eine neue Botschaft. Oh ihr Kreuzfahrer, Sicherheit für euch ist nur noch ein Wunschtraum.“ Dann weist er mit dem Dolch auf das offene Meer und ruft: „Wir werden Rom erobern, wenn Allah das will.“
In Libyen häufen sich die Untaten
In Libyen häufen sich seit 2012 die Untaten, bei denen Kopten von libyschen Extremisten getötet, gefoltert, entführt oder verprügelt werden. Am Sonntag wurden in Misrata weitere 21 Ägypter gefangen genommen. Die meisten Opfer stammen aus Oberägypten und halten sich trotz des hohen Risikos in Libyen auf, weil sie zu Hause keine Arbeit finden. Die am Sonntag Ermordeten stammten aus der Provinz Minia, die zu den ärmsten Regionen des Landes gehört. Angehörige und Menschenrechtler in Kairo warfen den Behörden vor, sich wochenlang nicht um die entführten Christen gekümmert zu haben, anders als vor einem Jahr, als fünf muslimische Diplomaten in Tripolis gekidnappt worden waren, die bereits kurz danach freikamen. „Die Verantwortlichen haben Blut an den Händen, sie hätten die Opfer retten können, aber sie haben versagt“, erklärte Mina Thabet von der Egyptian Commission for Rights and Freedoms.
Geografisch wird Ägypten jetzt gleichermaßen von Libyen und vom Sinai aus durch die Terrormiliz Islamischer Staat bedroht. Im Januar verzeichnete das Land am Nil mit 107 Anschlägen die höchste Zahl von monatlichen Terrorattacken seit Jahrzehnten. Die Dschihadisten auf dem Sinai hatten im letzten November dem selbst ernannten Kalifen Ibrahim, alias Abu Bakr al-Baghdadi, die Treue geschworen. Wenig später folgten mehrere Kommandos aus Libyen. Neue IS-Filialen existieren inzwischen auch in Algerien, Jordanien, Afghanistan und Jemen. Aus Libyen tauchten kürzlich erste Fotos auf, auf denen die üblichen Kolonnen von IS-Geländefahrzeugen mit aufgeblendeten Scheinwerfern und schwarzen Fahnen zu sehen sind.
Das Wüstenreich ist unregierbar geworden
Das ölreiche Libyen, das seit einem Jahr in Unregierbarkeit und chronischer Gewalt versinkt, könnte sich zu einer neuen Ausgangsbasis für Terroristen in Richtung Europa entwickeln. Mehr als 200 bewaffnete Milizen kämpfen in dem Post-Gaddafi-Staat um die Kontrolle. Stämme, Clans und Städte befehden einander, zerstören Flughäfen, Infrastruktur und Wohnviertel.
Zwei Regierungen und zwei Parlamente stehen sich unversöhnlich gegenüber. Die von der internationalen Gemeinschaft anerkannte Führung residiert im Osten in den Städten Tobruk und Al-Baida. Die von Islamisten dominierte Gegenregierung dagegen kontrolliert den Westen des Landes und die Hauptstadt Tripolis.