Sicherheitsbehörden sehen in vier Stuttgarter Moscheegemeinden salafistische Einflüsse, warnen aber davor, alle Muslime unter Generalverdacht zu stellen

Stuttgart - Schon von der Straße aus ist der große Schriftzug an der Botnanger Regerstraße zu erkennen: Mesdschid Sahabe, Islamisches Kultur- und Bildungszentrum. In dem grauen Betonbau hat eine bosnische Moscheegemeinde ihre Heimat, die aus Sicht des Verfassungsschutzes und des Staatsschutzes der Polizei als äußerst problematisch einzustufen ist. Für die Sicherheitsbehörden ist die Mesdschid Sahabe ein Treffpunkt der Salafisten in Stuttgart, jener Strömung im Islam, die durch die bundesweite Verteilung von Koranen derzeit nicht mehr aus den Schlagzeilen kommt. An diesem Nachmittag aber sind die Türen der Moschee verschlossen.

 

Zu finden sind deshalb auch keine Koranausgaben, dafür aber Auszüge aus dem heiligen Buch der Muslime, die in einem Schaukasten an der Eingangstür aushängen. Darüber ist zu lesen: „Wir haben vor, Ihnen regelmäßig einige Seiten des Korans vorzustellen. Es ist nicht unser Ziel, hiermit zu provozieren, sondern Ihnen das Wort Gottes zu vermitteln. Mit freundlichen Grüßen, Eure Nachbarn.“ Auch eine Handynummer findet sich, der Mann am Ende der Leitung aber ist wenig auskunftsfreudig. Seinen Namen will er nicht nennen, Auskunft über die Gemeinde geben schon gar nicht. Schon nach kurzer Zeit beendet der Angerufene das Telefonat.

„Es fehlt an Wissen und Toleranz“

Freundlicher waren die Vorstände der Gemeinde zu dem islamischen Theologen Abdelmalik Hibaoui, der für die Stabsstelle Integration der Stadt seit Jahren Kontakte zu allen Stuttgarter Moscheegemeinden aufgebaut hat. Als er vor einiger Zeit seine Arbeit an der Regerstraße vorstellte, musste der frühere Imam einer arabischen Gemeinde feststellen: „Ich habe gespürt, dass ich nicht dazugehöre, weil ich einen Anzug getragen habe, statt orientalische Gewänder und einen langen Bart.“ Schnell war für Hibaoui klar: das Interesse an einem Austausch mit anderen Muslimen ist gering. Immerhin folgten zwei Vertreter später der Einladung zum Islamforum der Stadt, verließen die Veranstaltung aber vorzeitig wieder, wie sich Hibaoui erinnert. „Sie wollen die Regeln des Propheten Mohammed eins zu eins umsetzen“, sagt der islamische Theologe. Hibaoui spricht von einer engen Auslegung des Korans, die die Vielfalt im Islam nicht anerkenne. „Es fehlt an Wissen und an Toleranz“, so Hibaoui.

Das Urteil von Manfred Schmitt, dem Leiter der Abteilung Islamismus bei der Stuttgarter Polizei, fällt härter aus. „Die Salafisten vertreten einen Steinzeitislam, der mit der Moderne nicht zu vereinbaren ist.“ Das zeige sich bei vielen schon äußerlich an der orientalischen Kleidung der Männer und der Vollverschleierung der Frauen und setze sich in der rückwärtsgewandten Geisteshaltung fort. „Wir haben es mit Leuten zu tun, die die Demokratie und den Rechtsstaat ablehnen, weil sie von Menschen gemacht sind. Die einzige Autorität, die sie anerkennen, ist Allah.“

150 von 60 000 Stuttgarter Muslimen gelten als Salafisten

Wo die Scharia als göttliches Gesetz über die Verfassung gestellt würde, werde es ausgesprochen problematisch. Bei labilen Persönlichkeiten, die an den richtigen Verführer geraten, sei es dann im Extremfall nur ein kleiner Schritt zum sogenannten Dschihad-Salafismus, der im Kampf gegen die Ungläubigen auch Gewalt zulasse. Manfred Schmitt sagt aber auch: „Die Salafisten sind mit geschätzten 150 Anhängern nur eine kleine Minderheit unter den 60 000 Muslimen in Stuttgart.“ Der Islamexperte warnt deshalb auch davor, alle Muslime unter Generalverdacht zu stellen.

Von der Botnanger Moschee wissen die Staatsschützer, dass die Gemeinde immer wieder bekannte salafistische Prediger empfängt. Einer davon ist der bosnische Muslim Enes Causevic, dessen Bruder einen Anschlag auf eine Polizeistation in Bosnien verübt hat. Laut Schmitt ist Causevic immer wieder Gast an der Regerstraße und ist dort auch schon als Imam aufgetreten. Der Staatsschützer hat Causevic während eines Besuches in Stuttgart getroffen und ihn nach seiner Ansicht zu Selbstmordattentaten gefragt. „Die Antwort war, dass er sich zu dieser Frage erst eine Meinung bilden müsse. Zuvor aber hat er uns erzählt, dass er jahrelang in Saudi-Arabien islamische Studien betrieben habe.“

Der Vorsitzende streitet Verbindungen ab

Die Verfassungsschützer und auch der Staatsschutz sehen in drei weiteren Moscheegemeinden in Stuttgart salafistische Einflüsse. Die eine ist die Gemeinde Masjid al-Khayr an der Strohgäustraße in Zuffenhausen, die den Islamismusexperten als Abspaltung der Botnanger Gemeinde gilt und als ein Sammelbecken auch für junge deutschsprachige Salafisten aller Nationalitäten. Safet Hasanovic, der Vorsitzende der Gemeinde, jedoch streitet dies ab: „Wir sind keine salafistische Moschee, sondern eine muslimische.“ Mehr Informationen zu seiner Gemeinde will Hasanovic allerdings nicht geben, nicht einmal zu den Mitgliederzahlen will er sich äußern.

„ Salafisten sind keine bösen Menschen“

In jüngster Zeit verstärkt von Salafisten aufgesucht werden laut Verfassungsschutz der Islamische Bund an der Viaduktstraße sowie das Islamische Zentrum Stuttgart an der Waiblinger Straße in Bad Cannstatt. Letztere Moschee wird von den baden-württembergischen Verfassungsschützern aber auch den Muslimbrüdern zugeordnet, die ebenfalls als antiwestlich gelten. Angesprochen auf die Salafisten aber winkt der Vorsitzende des Islamischen Zentrums Abdelmonem Eldamaty ab: „Wir haben keine Salafisten in unseren Reihen. Wir sind eine Moschee für alle Muslime, wir lassen uns keiner Richtung zuordnen.“ Eldamaty sagt aber auch, dass natürlich jeder Muslim zum Beten an die Waiblinger Straße kommen könne, und fügt hinzu: „ Salafisten sind keine bösen Menschen, sie sind in ihren Ansichten nur strenger am Koran orientiert als andere Muslime.“ Das Islamische Zentrum ist jeden Samstag mit einem Infostand an der Stuttgarter Königstraße präsent, wie Eldamaty erklärt, allerdings würden keine Korane verteilt. „Aber wir beantworten natürlich gerne alle Fragen zum Islam.“ Ebenfalls immer wieder in der Stuttgarter Fußgängerzone anzutreffen ist der Sindelfinger Sunnah-Verein, bei dem der Staatsschützer Manfred Schmitt ebenfalls salafistische Einflüsse ausmacht.

ds Andere Gemeinden gehen auf Distanz

Während Eldamaty um Verständnis für die salafistischen Gläubigen wirbt, gehen andere Stuttgarter Moscheevereine klar auf Distanz. Yavuz Kazanc vom Verband Islamischer Kulturzentren (VIKZ) zum Beispiel: „Wir wollen keinen Kontakt zu extremistischen muslimischen Organisationen, die von sich glauben, die einzige wahre Religion zu vertreten.“ Kazanc sagt klar, dass in den Moscheen des VIKZ keine radikalen Positionen geduldet werden. „Wie soll man hier leben, wenn man Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ablehnt“, fragt der Vereinsvorsitzende. Ebenfalls auf Abstand zu den Salafisten bedacht ist das Islamische Kulturzentrum für Bosnier, deren Sprecher aber nicht namentlich genannt werden will: „Wir leben einen Islam der Toleranz und wollen deshalb keine Kontakte zu extremistischen Organisationen.“ Er empfiehlt den Blick nach Sarajevo zu richten: „Dort stehen Kirchen, Moscheen und Synagogen in nächster Nähe, und die Gläubigen leben friedlich miteinander.“