Der Plan des US-Präsidenten Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, stellt den fein austarierten Status der Stadt in Frage. Dadurch werden neue Konflikte provoziert, meint die Israel-Korrespondentin Inge Günther.

Tel Aviv - Offenbar hat Donald Trump mal wieder die Lust an der Provokation gepackt. Vor allem, um seiner Anhängerschaft zu imponieren, die ihn öfters mit der Erinnerung an sein bisher nicht eingelöstes Wahlversprechen piesackte, die US-Botschaft in Israel nach Jerusalem zu verlegen. Anders ergibt sein Tabubruch keinen Sinn, Jerusalem, das Herzstück des Nahostkonflikts, als alleinige Hauptstadt Israels anzuerkennen und den Botschaftsumzug vielleicht nicht sofort, aber doch in absehbarer Zeit in Angriff nehmen zu wollen.   An den austarierten Status von Jerusalem zu rühren, ist ein Spiel mit dem Feuer.

 

Nahezu alle blutig eskalierten Krisen im israelisch-palästinensischen Konflikt haben sich an dieser Stadt, die Juden, Moslems und Christen heilig ist, entzündet. Schon 1996, in seiner ersten Amtszeit, hat Israels Premier Benjamin Netanjahu diese Erfahrung gemacht, als er eine Tür zu einem unterirdischen Gang nahe des Al-Aksa-Areals aufstoßen ließ. Bei tagelangen Tunnelunruhen, die dadurch ausgelöst wurden, starben 25 israelische Soldaten und an die hundert Palästinenser.

Der Spannungspegel steigt spürbar

Auch die zweite Intifada, die tausende Menschen das Leben kosten sollte, sowie die palästinensische Gewaltwelle mit Messerattacken und Amokfahrten im Herbst 2015 ging von Jerusalem aus. Und vorigen Sommer reichten schon Metalldetektoren, die Israel an den Zugängen zum Tempelberg aufstellen ließ, um die Palästinenser auf die Barrikaden zu bringen.   Auch jetzt ist der Spannungspegel in Jerusalem bereits spürbar gestiegen.

Neben den unmittelbaren Risiken lauert aber noch eine politische Gefahr. Trumps verspielt mit seiner Parteinahme, die Israels Alleinanspruch auf Jerusalem stärkt und die palästinensischen Rechte ignoriert, die amerikanische Führungsrolle als  Vermittler im Nahost-Prozess. Den „ultimativen Deal“ kann Trump vergessen, wenn er, der Unberechenbare, nicht doch noch eine Kehrtwende hinlegt.   Schon deshalb ist sein Schritt schwer nachvollziehbar, der auch die Saudis, seine engen Freunde, auf Distanz gehen lässt. Die Chancen, mit ihnen, Ägypten und Jordanien eine regionale Friedenskonferenz auf die Beine zu stellen, schwinden. Diese sunnitischen Staaten sind eigentlich mehr an einer Kooperation mit den Israelis interessiert als an den Palästinensern – schon um die expandierende Hegemonialmacht Iran in Schach zu halten. Aber Jerusalem, von dessen Felsplateau der Prophet Mohammed seine nächtliche Himmelsreise angetreten haben soll, kann die islamische Welt nicht ignorieren. Das dürfte auch Teheran propagandistisch ausschlachten.

Ein Lichtblick für Premier Netanjahu

Für Israels Ministerpräsidenten Netanjahu ist Trumps Ankündigung jedoch ein Lichtblick in diesen Tagen, in denen er tief im Morast diverser Korruptionsvorwürfe steckt. Ein Geschenk, das er als strahlenden Erfolg verkaufen kann. Denn für viele Israelis, auch jenseits des rechten Lagers, ist Jerusalem die „auf ewig vereinte jüdische Kapitale“. Selbst wenn sie keinen Schritt in den arabischen Ostteil wagen würden. Und so pries Netanjahu diesen besonderen Tag, an dem Israels historische und nationale Identität anerkannt werde.

Große Worte, doch an der Realität ändern sie wenig. Die israelische Annexion Ost-Jerusalems bleibt   völkerrechtswidrig. Die 160 Staaten, die mit Israel diplomatische Beziehungen pflegen, werden auch künftig ihre Botschaften in Tel Aviv belassen, solange es keine Verhandlungslösung für Jerusalem gibt. Die harschen internationalen Reaktionen auf Trumps Vorstoß zeigen, dass die Welt nicht jeden Blödsinn made in USA mitmacht.   Im Namen Jerusalems steckt das Wort Frieden – Schalom. Aber der muss beiden Seiten gerecht werden. Die Stadt, die für Israelis wie für Palästinenser hohen Symbolwert besitzt, benötig dazu eine geteilte Souveränität. Trump indessen hat neuen Unfrieden gestiftet.