An der Universität Stuttgart-Hohenheim ist die Idee geboren worden, dank einer Software zum Beispiel Verhandlungen zwischen Kunden und Lieferanten effektiver zu machen. Drei junge Gründer sind mithilfe des Wissenschaftsstipendiums Exist am Start.

Stuttgart - Malte Horstmanns erste unternehmerische Erfahrungen liegen schon eine ganze Weile zurück. „Wir hatten zu Hause diese Teigformen für Osterhasen“, erzählt der 26-Jährige, der in Stuttgart-Hohenheim Wirtschaftsinformatik studiert hat. „Es war ein Hase und ein Lamm“, ergänzt sein Bruder Olaf (25), der nach seinem Examen an der Hochschule der Medien in Stuttgart nun als IT-Entwickler beim Älteren mit im Boot sitzt. „Wir haben die Formen mit Beton gefüllt, die ausgestochenen Tiere golden angemalt und vor dem Haus verkauft“, sagt Malte Horstmann: „Das lief gut. Konkurs haben wir jedenfalls nicht angemeldet.“ Damals waren beide Grundschüler – doch solche Geschäftstüchtigkeit verlernt man nicht.

 

Malte Horstmann hätte in die Wissenschaft gehen können. Fünf Jahre lang war er an der Universität Stuttgart-Hohenheim an einem Forschungsprojekt beteiligt. Es kreiste um die Frage, wie sich Verhandlungsprozesse in der Wirtschaft mit elektronischer Hilfe verbessern lassen. Er hat fleißig Daten gesammelt – und sich irgendwann gefragt, ob es dafür nicht einen Markt geben könnte. „Akademisch war das Thema elektronische Verhandlungsunterstützung ungemein spannend. Ich wollte aber das Gefühl haben, dass das, was ich erforsche, etwas bringt und nicht nur ein Selbstzweck ist“, sagt Horstmann. Statt für die Promotion entschied er sich zum Sprung in die Wirtschaft.

Enpatech heißt die Firma, die seit Januar 2013 als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) registriert ist. Die junge Firme bietet ein Softwareprogramm an, das den Stand von Verhandlungen auf einen Blick erfassen und bewerten lässt. Zurzeit erproben Testkunden das Programm. Anfang des kommenden Jahres will das Unternehmen, das Horstmann zurzeit zusammen mit seinem Bruder und einem alten Schulfreund aufbaut, an den Markt. Große Investitionen braucht es dafür nicht – was Gründungen im IT-Bereich generell leichter macht. Die Verhandlungssoftware will Enpatech den Firmen über die „Cloud“ im Internet per Lizenz überlassen. Im Durchschnitt nach sieben E-Mails, versprechen es die Firmengründer, seien dann einst zeitraubende Verhandlungen unter Dach und Fach.

Betriebswirtschaftliches Wissen und Gründergeist

Für Ideen wie diese gibt es in Deutschland einen von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) stark propagierten Fördertopf namens Exist. Das Programm ist für Unternehmensgründungen gedacht, die direkt aus der universitären Forschung hervorgehen. Doch Malte Horstmanns Problem war zunächst nicht der Fördertopf. Er fand keine Mitstreiter. „Viele in meinem Alter sagen sofort: Das traue ich mich nie“, sagt er. Er sei kurz davor gestanden, auf eigene Faust loszulegen. „Doch im Nachhinein weiß ich, das wäre naiv gewesen. Wir würden heute nicht dort stehen, wo wir stehen. Den Arbeitsaufwand kannst du normalerweise nicht komplett alleine stemmen“, sagt Horstmann.

Zum Glück konnte er einen Freund aus Schulzeiten für seine Idee begeistern. Der brachte nicht nur betriebswirtschaftliches Wissen mit, sondern auch Gründergeist: Den Wunsch, etwas Eigenes zu gestalten und dafür die ausgetretenen Pfade zu verlassen. Die wichtigsten Dinge in seinem Leben habe er außerhalb von Schule und Hochschule gelernt, sagt Martin Allmendinger (27), der nun für die geschäftliche Seite von Enpatech zuständig ist: „Ich bin der Typ, der immer gerne etwas gemacht hat – aber nicht nur das, was mir vorgegeben wurde“, sagt er. Als Teenager hat er Musik produziert oder am Computer gebastelt. An der Uni organisierte er eine Berufs- und Kontaktmesse – ein Event, das schwarze Zahlen schreiben musste und dessen Ertrag studentische Projekte finanzierte. Auch Allmendinger, der an den Universitäten Ilmenau und Bamberg studiert hat, kennt den Graben zwischen der Welt der Wissenschaft und dem Unternehmertum: „Es ist nicht so, dass du an Universitäten mit offenen Armen empfangen wirst, wenn du gründen willst. Und das ist schon gar nicht der Inhalt der Lehrpläne.“

Universität und Wirtschaft sind zwei Welten

Das Gründerstipendium Exist ist einer der Versuche, die beiden Welten miteinander zu verbinden. Doch vor der Gründung kamen erst einmal die Formulare. Im April 2012 wurde das Projekt Enpatech geboren. Zwei Monate später war der erste Förderantrag unterwegs. Doch erste im zweiten, nachgebesserten Anlauf wurde im vergangenen November das Geld bewilligt. Insgesamt 77 200 Euro sichern dem dreiköpfigen Gründerteam, zum dem Anfang dieses Jahres als letzter Horstmanns Bruder Olaf als IT-Entwickler gestoßen ist, erst einmal für ein Jahr den Lebensunterhalt. 5000 Euro für Beratungsleistungen und 17 000 Euro für Investitionen sind darin eingeschlossen. Ebenfalls inklusive ist die eher allgemein formulierte Verpflichtung der Universität, die Gründern zu unterstützen.

Das erwies sich als nicht so einfach. Fast zum selben Zeitpunkt, als Enpatech im Frühjahr des vergangenen Jahres an den Start gehen wollte, wurde das Gründerzentrum an der Universität geschlossen. Trotz einer Stiftungsprofessur für Entrepreneurship war an der relativ kleinen Universität nicht die erhoffte kritische Masse an Gründungen zusammengekommen. In 14 Jahren waren es etwa hundert – davon wurde ein Dutzend als direkte Ausgründungen aus der Wissenschaft über Exist gefördert. Heute gibt es noch eine halbe Stelle für eine „Referentin für Existenzgründung“ und Hohenheim kooperiert bei der Gründerförderung mit der Universität Stuttgart. Der Lehrstuhl für Entrepreneurship ist nach einer Pause seit einem halben Jahr wieder besetzt. Doch Wissenschaft und Wirtschaft bewegen sich in unterschiedlichem Takt. Fünf Monate musste die junge Firma etwa auf einen Laptop warten. „Du kannst nicht einfach einen Computer bestellen und dann die Rechnung vorlegen, was das Schnellste wäre, sondern musst über die zentrale Beschaffung gehen“, sagt Allmendinger: „Wir haben hier gleich vier Ansprechpartner: Einen für Reisekosten, einen für Hardware, eine Ansprechpartnerin für Software, dann jemanden für das Büromaterial.“ Der Weg durch die Instanzen sei ein Abenteuer, sagt Horstmann: „Es gab viele Fragen, die keiner geradeheraus beantworten konnte.“

Doch seitdem die Hochschule Enpatech in einer Pressemitteilung präsentiert hat, geht es zügig voran. Danach kam eine Materialanfrage binnen einer Woche durch. Die Hohenheimer Gründer wollen nicht undankbar klingen. Ohne die Hilfe der Uni hätte es ihr Unternehmen, das inzwischen zwei der drei gesuchten Testpartner gefunden hat, nicht gegeben. „Es ist schon ein sehr gutes Programm. Aber dass manche simplen Prozesse über die Uni so lange dauern – das kann man nicht immer nachvollziehen. Inzwischen kennen wir aber unsere Ansprechpartner und sie kennen uns,“ sagt Allmendinger. Es gibt für Enpatech auch einen universitären Beirat.

Sollte alles so laufen wie geplant, dann muss Enpatech schnell wachsen. Bis zu 15 Kunden könne man zu Dritt betreuen – dann müssten weitere Mitarbeiter her. „Wenn es um Festanstellungen geht, dann denkst du als Startup in Deutschland aber zweimal nach“, sagt Allmendinger: „Es hängt viel von der Finanzierung ab. Daran haben wir auch festgemacht, ob wir das weiterbetreiben.“ Es geht nicht mehr um Stipendien, sondern um etwa eine halbe Million Euro von privaten Investoren. Ob die Universität nach dem Auslaufen der „Exist“-Förderung Ende 2013 weiter helfen wird, ist offen. Optimistisch ist das Dreierteam dennoch. „Mach was du liebst – und das Geld kommt von alleine,“ sagt Martin Allmendinger in Anspielung auf den amerikanischen Gründerslogan „Do what you love and the money will follow.“

Was bietet Enpatech an?

Das Problem –
Eine Preisverhandlung ist auch im Zeitalter der E-Mail-Kommunikation oft ein umständliches Prozedere. Angebot und Gegenangebot gehen wie in einem Ping-Pong-Spiel so lange hin und her, bis ein Abschluss zustande kommt. Es gibt dabei für jeden Verhandlungspartner eine klare Prioritäten-Liste. Ob diese auch erreicht werden, ist im E-Mail-Verkehr oft schwierig zu verfolgen. Hier kann elektronische Unterstützung helfen.

Die Idee
– Enpatech will diesen Austausch transparenter machen. Schon vor seiner ersten Anfrage definiert ein Verhandlungspartner das Optimum, das er erreichen will: den maximalen Preis und die Lieferdauer, das beste Material , die optimale Stückzahl oder die günstigsten Zahlungskonditionen. Jeder dieser Bausteine wird gewichtet. Die Enpatech-Software setzt das Verhandlungsziel dann in eine Grafik um – und analysiert auch das Angebot der Gegenseite.

Die Umsetzung
– Am Ende sollen zwei Linien einander treffen. Beide Verhandlungspartner können in der Software an den Prioritäten feilen. Was passiert, wenn sie Zugeständnisse machen? Hat man sich seit der letzten E-Mail aufeinander zubewegt? Der verbleibende Abstand der Verhandlungspositionen lässt sich mit einem Blick auf die Skala erfassen. Experimente der Uni Hohenheim haben belegt, dass so schneller eine Einigung erzielt wird.