Die Strandbäder um Rimini bieten neuerdings kostenlose Wohlfühlkurse und investieren viel Geld in Designer-Umkleiden und Rollrasen für ihre Gäste.

Rimini - Mit Hingabe kneten die Leute ihre großen Zehen. Über dem kleinen Zeltdach, unter dem die Fußreflexzonen-Massage stattfindet, glüht die italienische Sonne. Schweißperlen tropfen auf die bunten Matten am Strand, während die Kursteilnehmer sich zu den Stimulationspunkten für Pankreas und Magen vorarbeiten. Zur gleichen Zeit schwitzen 100 Meter weiter ein Dutzend Männer und Frauen beim Yoga. Wellness macht sich breit an der Küste von Rimini.

 

Den meisten Erfolg versprechen sich die Strandbadbesitzer vom Programm „Benessere del spiagge“ (Wellness am Strand). Mehr als 50 Bäder offerieren Pilates, Tai-Chi, Qigong oder Shiatsu. Es gibt einen eigenen Dachverband, der alles organisiert und seine Fachübungsleiter vormittags und abends an den Strand schickt, um Urlaubern zu zeigen, wie sie sich beim Yoga entspannen oder per Reflexzonen-Stimulation die Verdauungsschwierigkeiten wegmassieren können. Bis auf wenige Ausnahmen, etwa Rücken-Massagen zum Sonnenaufgang oder spezielle Bootsausflüge, ist das Angebot für die Gäste der Strandbäder kostenlos. Um zu verstehen, warum sich die Betreiber so viel von solchen Aktionen erhoffen, muss man wissen, wie Strandbäder in Rimini funktionieren. Sie sind nicht bloß einfache Badeanstalten, in denen man ab 16 Euro am Tag zwei Liegen und einen dringend notwendigen Sonnenschirm mieten kann.

Jungs toben vornehmlich auf den Volleyball-Plätzen

Sie sind ein eigener, spezieller Kosmos, Treffpunkt für Familienmitglieder und Nachbarn, Lebensmittelpunkt im Sommer, wenn es so heiß wird, dass man am liebsten Tag und Nacht in einer Badewanne voller Eiswürfel liegen will. Im Strandbad steigen kollektive Grillfeste, und der „Bagnino“, so lautet der niedliche Begriff für den Bademeister, der einen Strandabschnitt vom Staat pachtet und das Geschäft betreibt, lädt zur feuchtfröhlichen Weinverkostung in den späten Abendstunden. Familienmitglieder passen auf die Kinder der Liegestuhl-Nachbarn auf, und so mancher Einheimischer kontrolliert freiwillig, ob jeder Tourist auch wirklich für den Platz bezahlt hat, auf dem sein Bierbauch liegt. Bei gutem Wetter verbringt man den kompletten Tag am Strand, und der beginnt in der Hauptsaison um 7 Uhr morgens und endet bei Sonnenuntergang oder später. Damit es nicht langweilig wird, sorgt der Bagnino für ein Unterhaltungsangebot, das auch bei den vielen ausländischen Touristen seit jeher gut ankommt. Jungs toben vornehmlich auf den Volleyball-Plätzen, Väter sieht man beim Boccia, Mütter holen sich Gratis-Zeitschriften.

Es gibt Fitness-Aktivitäten mit Meerblick, Kinder-Animation ab drei Jahren und Sandburgen-Wettbewerbe. Damit alles seine Ordnung hat, recht der Bademeister mit seinen Helfern abends den Sand durch. Kippen, Bierdosen und Treibholz landen dann auf einem großen Haufen, den nachts die Strand-Müllabfuhr einsaugt. Mehr als 250 dieser durchorganisierten Strandbäder gibt es an der gut 15 Kilometer langen Küste von Rimini. Wer die freien Strände zählt, auf denen man sich einfach mit seinem Handtuch und der Kühlbox niederlassen darf, kommt gerade mal auf sieben. Aber die Geschäfte laufen schon lange nicht mehr so gut. Doch die Ausländer können aus einem nie da gewesenen Angebot für den Sommertrip wählen. Obwohl Italien immer noch einigermaßen günstig ist - griechische Hoteliers, spanische Fluggesellschaften oder türkische All-inclusive-Resorts machen es immer noch eine Spur günstiger. Und das Image von Rimini ist auch im Eimer. „Die vielen Sauftouristen tun uns nicht gut“, sagt Stefano Lippi, der „Bagno numero 70“ betreibt.

„Wir müssen investieren“

Er hat seinen Strandabschnitt kräftig umgekrempelt, für die Wellness-Fraktion einen Pavillon aufgestellt und mit Teppichen ausgelegt. Seine Gäste können auf neuen Fitness-Geräten radeln und Gymnastik-Bälle ausleihen. Trotzdem blickt er ein bisschen neidisch auf seinen Kollegen Luca Casadei, der seinen Strand nebenan mit der Hilfe von drei Architekten in ein luxuriöses Anwesen mit Designer-Umkleiden in Edelholz verwandelt hat, die ein bisschen Schatten auf den frisch verlegten Rollrasen werfen. Die Solarpanels auf dem Dach liefern Strom, um die Kabinen zu erhellen, eine Filteranlage fürs Wasser rundet das Ökoprojekt ab. „Wir müssen investieren, damit die Leute auch in Zukunft gerne zu uns kommen“, sagt Casadei. Sein Bagno ist ein Pilotprojekt, möglichst viele sollen in Funktion und Design seinem Vorbild folgen. Die Schönheitsoperation für Casadeis Strandabschnitt hat 250 000 Euro gekostet. Aber das kann nicht jeder, zumal über den Bagnino ein böser Geier kreist, der bald seine Krallen ausfahren könnte: Die EU strebt ein Ausschreibungsverfahren an, so dass die Strandabschnitte auf den freien Markt kommen und sich jedermann bewerben kann.

Bisher haben die Strandbäder noch eine eingebaute Rentengarantie, werden seit Jahrzehnten von ein und derselben Familie betrieben. Die Väter haben das Pachtrecht auf ihre Söhne übertragen. Die Kommune hat sich nicht groß eingemischt, sondern nur die Miete kassiert. Weil einige nun befürchten, sie würden ihr Geld in den Sand setzen, hat ein kreativer Wettbewerb begonnen, um ohne große Investitionen einen vernünftigen Mehrwert zu bieten. Schön ist der „spiagge delle donne“ (Strand der Frauen), der seit 65 Jahren in weiblicher Hand ist: Badegäste, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen, erhalten als Öko-Belohnung Energiesparlampen. Und Singles können sich ein Bändchen holen, um zu signalisieren, dass sie auf Partnersuche sind.

Höhepunkt ist der wöchentliche Piadina-Kochkurs, bei dem die Gäste gemeinsam Teig kneten, ausrollen und in die Pfanne hauen, um das beliebte Fladenbrot auf den Tisch zu zaubern. Dazu gibt es Schnulzen aus dem Radio, die die Entspannungsmusik aus dem benachbarten Bagno bei weitem übertönen. Nebenan sitzt eine Gruppe unter dem Sonnensegel und knetet eifrig auf die Füße ein. Wellness macht sich breit am Strand von Rimini.

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Infos zu Rimini

Anreise
Flug: Lufthansa/Air Dolomiti fliegt ab Frankfurt, Berlin-Tegel oder München nach Bologna. Preise für Retourticket zwischen 125 und 200 Euro bei frühzeitiger Buchung, www.lufthansa.de . Für die Weiterreise empfiehlt sich ein Mietwagen.

Auto: Über München und die Brenner-Autobahn nach Verona, weiter auf der italienischen A 1 bis Bologna und von dort nach Rimini.

Übernachten
Hotel Lungomare: Ordentliches Hotel in Strandnähe, großzügiges Frühstückbüfett. DZ/F ab 125 Euro/Nacht, www.lungomarehotel.it .

Hotel Diamond: Mittelklassehotel mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis, 25 bis 55 Euro pro Person/Nacht, www.hoteldiamondrimini.it .

American-Hotel: familiäres Vier-Sterne-Hotel. Wochenpreise ab 359 Euro pro Person, www.americanhotel.it .

Essen und Trinken
Nettuno: Hervorragende Fischgerichte direkt am Strand, www.ristorantenettunorimini.it .

Le Bistrot (Dozza): Ausgezeichnete regionale Küche. www.ristorantelebistrot.it .

Wellness am Strand
Infos über alle Veranstaltungen und Aktivitäten: www.lespiaggedelbenessere.it .

Allgemeine Informationen
www.aptservizi.com , www.emiliaromagnaturismo.it , www.riminiturismo.it .