Die EU weist den Haushaltsentwurf zurück, es drohen Sanktionen – doch an der Regierung in Rom prallt diese Wirklichkeit ab.

Rom - In Italien herrscht Weihnachtsstimmung. Dabei sind die Rollenzuschreibungen bei diesem Fest in den vergangenen Tagen etwas durcheinandergegangen. Die Regierung verteilt in ihrem Haushaltsentwurf für das Jahr 2019 fleißig Geschenke an ihre Wähler, und Innenminister Matteo Salvini wartet selbst auf Post vom Nordpol. Über die Ankündigung aus Brüssel, die Kommission lehne den Haushaltsentwurf des hoch verschuldeten Italiens ab und werde empfehlen, ein Defizitverfahren einzuleiten, machte sich der Chef der rechten Lega nur lustig: „Es kommt ein Brief aus Brüssel? Okay, wir warten auch auf den Brief vom Weihnachtsmann.“

 

Die italienische Tageszeitung „La Repubblica“ nahm das zum Anlass, Salvini im Namen von Babbo Natale, wie der Weihnachtsmann in Italien heißt, eine Nachricht zukommen zu lassen. „Sehr geehrter Dottore Salvini, da ich erfahren habe, dass Sie statt auf einen Brief von der EU auf einen von mir warten, nutze ich die Gelegenheit, Sie daran zu erinnern, dass normalerweise die Kinder mir schreiben und nicht umgekehrt.“ Außerdem sei es nun einmal Fakt, dass er ja gar nicht existiere, belehrt der fiktive Weihnachtsmann den Innenminister. „Die Geschenke, die Sie jedes Jahr unter Ihrem Baum finden, kommen von Ihren Verwandten. Während diejenigen an den Urnen Ihnen der Partito Democratico beschert.“ Damit spielt der Schreiber auf den noch immer andauernden Führungsstreit in der sozialdemokratischen Partei an, von dem die anderen Parteien profitieren. Weil er aber nun einmal großzügig sei, erfülle er Salvini den Wunsch nach einem Brief – und wird darin sehr deutlich: „Wenn ihr den Haushalt nicht ändert, wird euch nicht mal mehr das Christkind den Hintern retten. Herzlich, Babbo Natale“.

EU-Kommissar Moscovici ist nicht begeistert

Die laxe Haltung Salvinis stieß auch in Brüssel auf wenig Verständnis. „Ich habe mir nicht den roten Anzug oder den weißen Bart angezogen, und ich bin nicht der Weihnachtsmann“, sagte Pierre Moscovici der Zeitung „Corriere della Sera“. „Ich bin der EU-Kommissar für Wirtschaftsangelegenheiten, und ich denke, dass man diese Fragen mit gegenseitigem Respekt, mit Ernst und Würde behandeln sollte. Nicht mit Lässigkeit und einer schrillen Ironie.“ Die Entscheidung der Kommission, den Haushaltsentwurf, der eine Neuverschuldung von 2,4 Prozent vorsieht und damit nicht regelkonform ist, abzulehnen, sei ein wichtiger Schritt in einem Prozedere, das in den EU-Verträgen vorgesehen ist, so Moscovici. „Es gibt viel zu tun in dieser Situation, die niemand gewollt hat. Der Dialog ist keine Option, er ist ein Muss“, richtet er sich an die Regierung in Rom. Etwas ernster als Innenminister Salvini geht Premierminister Giuseppe Conte die Sache an. Für diesen Samstag ist ein gemeinsames Abendessen des Regierungschefs mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Brüssel vorgesehen. „Die italienische Regierung ist von der Wirksamkeit des Haushaltsentwurfs überzeugt“, so Conte. „Wir werden uns am Samstagabend mit Juncker auseinandersetzen, und ich hoffe, dass wir unsere Positionen gegenüberstellen werden.“

Mögen die Herren in Rom sich noch so selbstsicher geben, im Land wächst die Skepsis, ob die Regierenden Italien mit ihrer Haltung etwas Gutes tun. Als „unverantwortlich“ und „kolossalen Fehler“ betitelt die Zeitung „Corriere della Sera“ die Machtprobe mit Brüssel. Und auch das Volk scheint zunehmend skeptisch zu werden. In dieser Woche hatte das Finanzministerium italienischen Anlegern eine Staatsanleihe mit vierjähriger Laufzeit und garantiertem Inflationsausgleich angeboten, den Btp Italia, der sich bisher großer Beliebtheit erfreute. Das war diesmal anders: In drei Tagen kamen bei Privatanlegern nur 863 Millionen Euro zusammen. Banken und Versicherungen hielten sich ebenfalls zurück, so dass am Ende nur 2,1 Milliarden Euro eingesammelt werden konnten – so wenig wie noch nie seit der Einführung der Anleihe im Jahr 2012.