Während sich die Sozis zerfleischen, rüsten die Nazis auf: Im Stuttgarter Schauspielhaus eröffnet Calixto Bieito mit Horváths „Italienischer Nacht“ die neue Saison. Mit seiner strengen Inszenierung setzt er ein programmatisches Zeichen.

Stuttgart - Erst die Arbeit, dann das Vergnügen – wer wollte an diesem eisernen Grundsatz rütteln? Die Gäste in Josef Lehningers Jagdstüberl jedenfalls nicht. Einem unsichtbaren Kommando gehorchend, schreiten sie auf die Biertischgarnituren zu, die sich in langen Reihen akkurat durchs Gartenlokal ziehen. Die Ordnung, die beim Mobiliar herrscht, herrscht auch bei den Frauen und Männern, die dieses Mobiliar nun zwecks Freizeitgestaltung aufschlagen. Beide Flanken des Jagdstüberls besetzend, greifen sie in strenger Formation die auf den Tischen liegenden Bänke an und klappen sie mit geübten Handgriffen donnernd auf, zack, zack, wie am Fließband – oder wie beim Militär, das ihnen auch in Friedenszeiten in den Knochen zu stecken scheint. Wir schreiben das Jahr 1930, befinden uns in einer „süddeutschen Kleinstadt“ und bei den Vorbereitungen der „Italienischen Nacht“, die heute Abend steigen soll. Dass sie mit einer strammen paramilitärischen Übung beginnt, lässt für das Fest allerdings nicht nur Vergnügliches ahnen.