Italienischer Designstar Berühmte Häuser und Möbel von Ponti

Ein Entrée, schwungvoll und dynamisch wie ein Flugzeugträger: Das von Gio Ponti entworfene Haus wirkt modern bis heute: „Villa Planchart“ in Caracas, Venezuela, erbaut von 1953 bis 1957. Dieses und andere Fotos zu Gio Pontis Werk sind in dem Bildband „Gio Ponti“ im Taschen Verlag zu bestaunen. Foto: Taschen Verlag/Gio Ponti Archives, Historical Archive of Ponti’s Heir

Wenn jetzt auf der Mailänder Möbelmesse Schickes im 50er-Jahre-Stil gezeigt wird, ist das oft eine Hommage an den berühmten Designer und Architekten Gio Ponti.

Bauen/Wohnen/Architektur : Nicole Golombek (golo)

Mailand - Alles. Der Mann hat einfach alles gemacht: Tische, Stühle, Leuchten, Vasen, Toilettenschüsseln, Teppiche, Tapeten, Messer, Gabeln, Löffel, Türgriffe, Theaterkostüme, Keramikfliesen, Schwimmbäder, Villen, Mehrfamilienhäuser, Hochhäuser, Bürogebäude, eine Kirche, ein Hotel, ein Museum.

 

Außerdem hat er eine Zeitschrift für Architektur und Wohnen herausgegeben und Texte geschrieben. Er war Professor, Familienvater, Mentor, Künstlerfreund. Und er fand jeden Morgen, zumindest an den Tagen, an denen er fotografiert wurde, die Zeit, sich eine Fliege umzubinden und freundlich zu lächeln.

Gio Ponti hat die Designwelt beeinflusst

Gio Ponti heißt der fleißige Vielbegabte, Architekt und Designer, 1891 in Mailand geboren, 1979 gestorben. Architekturkennern ist vielleicht das Pirelli-Hochhaus in Mailand ein Begriff oder der Leuchtenklassiker von Fontana Arte. Schnörkellos, modern, der Zukunft zugewandt. Er hat aber auch eine Schwäche für antike Vasen. Und für Keramik. Wie man heute noch sehen kann.

Im Hotel Parco dei Principi in Sorrent ist eine Wand mit lauter kleinen, runden, blauen Keramikfliesen bestückt. Auch die Einrichtung des 1964 eröffneten und heute fünf Sterne zählenden Hotels, südlich von Neapel direkt am Meer gelegen, ist noch erhalten. Ein – falls das Budget es zulässt – in den Ferien erlebbares Gesamtkunstwerk.

Ein Bildband gibt Einblicke ins Werk

Ein jüngst erschienener, gut sieben Kilo gewichtiger Bildband zeigt in Bild und Text, dass Gio Ponti keine Scheu hatte, weder vor Luxus noch vor Pragmatismus. Er arbeitete für unterschiedlichste Kunden, er baute opulent ausgestattete Villen in Caracas, entwarf aber auch Mehrfamilienhäuser in Mailand mit praktischen Einbauten in den Wohnungen, „um den Raum von Möbeln zu befreien“, großzügiger wirken zu lassen.

Seine strahlend weiße, in schlicht geschwungener Form dastehende Hochschule für Mathematik in Rom aus dem Jahr 1931 wirkt so hell und fröhlich, dass selbst Rechenmuffel sofort Lust auf eine Kurvendiskussion bekommen. Bürogebäude (mit viel Glas und Aluminium) waren schon früh mit flexibel nutzbaren Einheiten konzipiert.

Künstlerischer Anspruch

Die Villa Planchart in Caracas mit ihren dynamisch wirkenden, geschwungenen Wänden und innen mit abstrakt geometrischen Deckenmalereien (die sich auf den Möbeln wiederfinden), pastellfarbenen Stoffen, filigranen Holzmöbeln, vielen Pflanzen, Messingskulpturen an den Wänden wirkt wie das Setting für einen Film, in dem heitere Menschen im Sommer das kreative Nichtstun üben.

Ein Kunst-Haus, wie er selbst es als Credo ausgegeben hatte: „Das beständigste Element ist nicht Holz, nicht Stein, Stahl oder Glas. Das beständigste Element in einem Bauwerk ist die Kunst. Lasst uns etwas sehr Schönes damit machen.“

Spuren von Ponti auf der Möbelmesse Mailand

Und wenn jetzt auf der Supersalone, der internationalen Möbelmesse in Mailand, Wohnkonzepte und neue Möbel gezeigt werden, wird vieles zu sehen sein, das sich bemüht, ähnlich leger zu wirken wie die Entwürfe von Gio Ponti. Midcentury, also die Formensprache der 50er, 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, während der viele Arbeiten von Ponti entstanden, ist weiterhin en vogue.

Was man vielleicht bei den Produkten von heute vermissen wird, ist ein Zukunftsoptimismus jener Zeit. Der ist den Menschen längst abhandengekommen. Weshalb Designer gern mit recycelten Entwürfen die Welt von ein bisschen Abfall bereinigen und schön umgestalten.

Der leichteste Stuhl der Welt

Was Ponti auszeichnet, ist seine spielerische Leichtigkeit, ein Mut zu Farbe, Muster, Form, Material. Und vor allem: die kühne Kombination aus alldem.

Alles, womit dieser Tage geworben wird, handwerklich hochwertige Qualität und technische Raffinesse, das hat Gio Ponti vorgemacht. Sein berühmtester Stuhl, 1951 entworfen, war schon leicht transportierfähig. Weil der ihm aber noch nicht leicht genug war, experimentierte er so lange, bis er es 1957 schaffte, dass das Sitzmöbel aus leichtem Eschenholz stabil ist, aber nur 1700 Gramm wiegt. Die italienische Firma Cassina produziert den „Superleggera“ bis heute.

Handwerklich hochwertiges Design

Andere Hersteller haben ältere Entwürfe Jahrzehnte später auf den Markt gebracht, weil hohe Qualität und gute Namen zuweilen besser verkauft werden als vermeintliche Novitäten. Im Jahr 2008 etwa hat die französische Silberwaren-Firma Christofle eine 43 (!) Zentimeter lange und nur 11,5 cm hohe Teekanne produziert. Ein in Silber erstarrter Pfeil – so wie die Entwürfe der Serie eben auch heißen: „Fleche“, Pfeil.

Diese Gegenstände, 1957 entworfen, sind geometrisch derart interessant, dass mit diesen Messern und Gabeln selbst Fischstäbchen (immerhin Essen in geometrischer Rechteckform) beinahe Nouvelle-Cuisine-tauglich werden.

„Ponti schien dem Paradox zu folgen, ,Die Regel ist, dass es keine Regeln gibt‘“, schreibt Stefano Casciani über Gio Ponti. Genau das, dass er keiner Bewegung zuzuordnen ist, macht vielleicht seine Kunst aus und seine zeitlose Klasse.

Lesen Sie aus unserem Plus-Angebot: Gelungener Umbau eines Einfamilienhauses aus den 1950er Jahren.

Info

Gio Ponti Buch
Die Arbeit des italienischen Architekten und Gestalters Gio Ponti (1891–1979) wird anlässlich seiner 130. Geburtstags im Bildband „Gio Ponti“ (Taschen-Verlag, 575 Seiten, 200 Euro, Cover re.) gewürdigt. Der opulente Band stellt in vielen Bildern und Texten Werke vor, die in sechs Jahrzehnten entstanden sind. Das Werk mit über sieben Kilogramm wiegt mehr als vier von Pontis je 1700 Gramm leichten „Superleggera“-Stühlen aus dem Jahr 1957.

Gio Pontis „Superleggera“ galt lange Zeit als leichtester Stuhl der Welt. Der „Ultraleggera“, eine Hommage an Ponti, entworfen von dem polnischen Designer Oskar Zięta, hat ihn mit 1660 Gramm abgelöst. Der Stuhl (Sitz und Rückenflächen aus Lochblech, das Gestell aus Aluminium) hat auch den Red Dot Award „Product Design 2021“ erhalten.

Möbelmesse Mailand
Möbelneuheiten werden vom 5. bis 10. September auf der internationalen Möbelmesse in Mailand vorgestellt. Der Midcentury-Stil, den Gio Ponti geprägt hat, ist weiterhin im Trend. Viele Hersteller werben auf der Messe mit technischen Innovationen, mit nachhaltigen, recycelten Produkten.

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