Die Umweltorganisation Legambiente prangert die nicht enden wollende Verunstaltung der italienischen Küste an. Doch es wird munter weiter betoniert.

Rom - Im Winter zieht es in Italien nur noch die Hartgesottenen ans Meer. An heißen Wochenenden allerdings ist die Hauptstadt Rom nahezu einwohnerlos. Die Römer überlassen ihre Stadt den Touristen und flüchten an die Küste, denn Rom hat einen eigenen Strand: In 35 Minuten bringt einen die Bahn vom Zentrum nach Lido di Ostia. Vom dortigen Bahnhof sind es noch 15 Minuten zu Fuß zur Küste. Doch vom Meer ist erst einmal nichts zu sehen. Und wer mit nackten Füßen durch den feinen Sand laufen möchte, muss auch in den Wintermonaten erst einmal einen weiteren Fußmarsch in Kauf nehmen.

 

Der freie Zugang zum Meer ist hier nur alle paar Hundert Meter möglich. Strandbäder und andere Bauten drängen sich zunächst in das Blickfeld. Eingerahmt werden sie von einer kilometerlangen Mauer, dahinter liegt eine vierspurige Straße. Die Region Lazio ist da kein Einzelfall. Der Beton hat die Küste Italiens in Beschlag genommen. Die Umweltorganisation Legambiente weist regelmäßig in ihren Jahresberichten auf die Verschandelung der Küsten hin. Kommende Woche erscheint ein Buch, das allein diesem Thema gewidmet ist und die Erkenntnisse der vergangenen fünf Jahre zusammenfasst. Der Titel „Vista Mare“ – zu Deutsch: Meerblick – ist wohl sarkastisch gemeint, denn schon in ihrem im Sommer veröffentlichten Bericht über das Jahr 2016 ist zu lesen, dass bereits 51 Prozent der italienischen Küste mit Häusern, Hotels und Industrieanlagen zugebaut sind.

Für ihren Bericht hat die Umweltorganisation 6500 der rund 7500 Küstenkilometer Italiens untersucht, von Ventimiglia bis Triest inklusive der beiden größten Inseln Sizilien und Sardinien. 3300 Küstenkilometer sollen demnach bereits unwiederbringlich verloren sein. Ohne eine Änderung der Politik, so heißt es, werde diese Zahl noch weiter wachsen: In den vergangenen zehn Jahren wurden im Durchschnitt jährlich acht Kilometer Küste bebaut.

Immer mehr Touristen zieht es nach Italien, ihre Zahl und damit die der Hotels wächst stetig. Allerdings wäre eine naturbelassene Küste in Zeiten des Klimawandels umso wichtiger, um beispielsweise vor Überschwemmungen zu schützen, warnen die Umweltschützer.

Umweltorganisation schlägt Alarm – Gesetze nützen wenig

Dabei hatte sich die Politik des Themas bereits angenommen und 1985 das sogenannte Gesetz Galasso verabschiedet. Damit sollte die Küste geschützt werden, man wollte retten, was noch zu retten war. Das Gesetz erlaubt es den Regionen, Bauten bis zu 300 Meter vor der Küste zu verbieten. Doch der Korruption, Spekulation und den damit einhergehenden unzähligen ungenehmigten Bautätigkeiten konnte damit kein Riegel vorgeschoben werden. Allein zwischen 1988 und 2012 wurden weitere 302 Küstenkilometer zubetoniert. Vor allem in den Regionen Sizilien, Lazio und Kampanien wurde in diesem Zeitraum innerhalb der 300 Meter vor der Küste am meisten gebaut. Auf Sizilien sind es 65 Küstenkilometer, die zugebaut wurden, in Lazio wurden 41 Kilometer Küste mit Neubauten zugekleistert. Insgesamt sind damit 63 Prozent der Küste Lazios zubetoniert, 208 Kilometer von 329 Kilometern. Ein unberührtes Fleckchen Strandidylle zu finden ist hier also eher Glückssache.