Rom - Im dunkelblauen Anzug, in sich gekehrt und mit ernster Miene schreitet Giuseppe Conte am Donnerstagmorgen über den Hof des Quirinalspalastes in Rom. Für den Rechtsprofessor, der vor nunmehr 15 Monaten das Amt des italienischen Ministerpräsidenten angetreten hat, hat sich in den vergangenen Wochen alles geändert. Bis auf sein Amt. Eine Stunde später erklärt ein Sprecher von Staatspräsident Mattarella, dass dieser Conte mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt hat. Conte akzeptiert – unter Vorbehalt wie es in Italien üblich ist. In wenigen Tagen will er Mattarella seine Ministertruppe und ein Regierungsprogramm präsentieren, und damit die Geburt der Regierung zwischen der Fünf-Sterne-Bewegung und dem sozialdemokratischen Partito Democratico endgültig einleiten.
Auch wenn das Amt das gleiche bleibt, an der Ausübung wird sich einiges ändern. Als Marionette war Giuseppe Conte angetreten, flankiert von den starken Chefs der damaligen Koalitionsparteien, Matteo Salvini von der Lega und Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung. Schnell war klar, welche Rolle die beiden Vizepremiers ihm zugedacht hatten: Der Premier sollte sich gefälligst hinter ihnen einreihen. Davon kann heute keine Rede mehr sein. Schließlich war es Conte, der Innenminister Salvini einen Strich durch die Neuwahl-Rechnung machte und ihn im Senat brüskierte. Nicht nur mit seinen klaren aber harschen Worten, sondern vor allem mit der Ruhe, mit der er diese vortrug.
Noch viele Stolpersteine liegen auf dem Weg zur neuen Regierung
Doch allein der Gesichtsausdruck des 55-Jährigen, mit dem er an diesem Donnerstagmorgen nach seinem Gespräch mit Mattarella vor die Presse tritt, verrät, dass Conte weiß, was auf ihn zukommt: Eine Mammut-Aufgabe. Es ist keine natürliche Allianz, die sich da in Rom gerade bildet. Es ist nichts weniger als ein Wechsel von einer rechten hin zu einer linken Regierung, die noch dazu lediglich aus der Angst vor Neuwahlen geboren wurde. Sterne-Chef Luigi Di Maio betont zwar, für ihn gebe es in der Politik kein Links und Rechts. Doch skeptisch sind nicht nur die Italiener, sondern auch die Protagonisten. Nicola Zingaretti, der Vorsitzende des Partito Democratico, sagte: „Das wird kein vergnüglicher Spaziergang. Aber es ist die Mühe wert, dieses Experiment zu wagen.“
Auf dem Weg zur Vereidigung der neuen Regierung liegen noch viele Stolpersteine. Wie werden die Ministerposten verteilt? Welche Partei erhält die Schlüsselpositionen und welchen Platz wird Luigi Di Maio einnehmen? Conte soll bereits angedeutet haben, dass es entweder einen Vizepremier aus den Reihen des PD geben wird oder gar keinen. Somit macht Conte klar, wer von nun an der starke Mann sein wird: Er selbst. Auch über einen Kandidaten für die künftige EU-Kommission muss man sich einig werden.
Das Vertrauen von außen ist groß
Steht erst einmal das Personal, wird sich zeigen, wie die ungleichen Parteien inhaltlich zusammenarbeiten wollen. Er wolle „eine Regierung im Zeichen der Neuerung“, so Conte. Doch allein schon eine Bahnstrecke wird in der neuen Regierung zum Knackpunkt: die bereits im Bau befindliche Schnellzugstrecke zwischen Turin und Lyon, über die es schon zum Streit zwischen der Fünf-Sterne-Bewegung und der Lega gekommen war. Die Sozialdemokraten sind für das Projekt, die Fünf Sterne strikt dagegen. Und auch die harte rechte Migrationspolitik Salvinis wurde von den Grillini lange mitgetragen. Das Wichtigste wird aber der Haushalt für das Jahr 2020 sein. Allein 23 Milliarden Euro muss die neue Regierungsmannschaft in den Büchern auftreiben, um eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 22 auf 25 Prozent im kommenden Jahr zu verhindern.
Doch es gibt auch gute Vorzeichen: Vor allem von außen ist das Vertrauen in den neuen alten Ministerpräsidenten groß. Kurz nach der Bestätigung aus dem Präsidentenpalast sank der sogenannte Spread, der Risikoaufschlag für zehnjährige italienische Staatsanleihen im Vergleich zu deutschen Bundesanleihen auf 160 Basispunkte. Ein finanzpolitischer Indikator für Vertrauen von Investoren und bares Geld für Italien, das bei einem niedrigen Wert weniger Zinsen für die Staatsanleihen zahlen muss.
Selbst US-Präsident Donald Trump fühlte sich bemüßigt, Conte die Absolution eines echten Regierungschefs zu erteilen. Nach dem G-7-Gipfel im französischen Biarritz, an dem Conte vergangenes Wochenende als geschäftsführender Ministerpräsident Italiens trotz Regierungskrise teilnahm, ließ Trump über den Kurznachrichtendienst Twitter verlauten: „Es sieht gut aus für den hoch respektierten Ministerpräsidenten Italiens, Giuseppi Conte. Er hat Italien beim G-7-Gipfel kraftvoll vertreten. Er liebt sein Land sehr und arbeitet gut mit den USA. Ein sehr talentierter Mann, der hoffentlich Ministerpräsident bleibt.“ Bei einem solchen Lob, kann man sogar den kleinen Schreibfehler im Vornamen übergehen.