Trotz der Probleme auf Schiffen der Costa-Reederei: Mehr als 1,8 Millionen Deutsche buchten voriges Jahr eine Kreuzfahrt - und der Trend ist ungebrochen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die ganze Branche fühlt mit Angehörigen der Opfer des tragischen Costa-Unglücks“, sagte Sebastian Ahrens, Vorsitzender des Kreuzfahrtausschusses beim Deutschen Reiseverband (DRV), in Berlin. Die Frage, ob es ein generelles Sicherheitsproblem gebe, wird von den Schiffsbetreibern aber entschieden verneint. „Die Statistik zeigt seit Jahrzehnten, dass Kreuzfahrten eine sehr sichere Art des Reisens sind“, betont Ahrens und verweist auf die strengen Vorschriften und Kontrollen für die Schiffe.

 

Trotzdem arbeitet die Branche nach eigener Darstellung daran, auch jedes Restrisiko auszuschließen. „Alle Ergebnisse aus den Untersuchungen des Unglücks werden genau analysiert und auch auf europäischer und internationaler Verbandsebene ausgewertet“, sagt Ahrens. Langfristige Auswirkungen auf das brummende Geschäft mit Kreuzfahrten erwartet er nicht. Bei einem Teil der Anbieter gebe es seit dem Unglück zwar Buchungsrückgänge. Das sei aber „nur ein kurzfristiger Effekt“. Eine konkrete Prognose zur weiteren Marktentwicklung nach dem Unglück, das rund 30 Menschen das Leben kostete, will Ahrens allerdings nicht wagen. Seit Jahren kann sich die Branche über zweistellige Wachstumsraten freuen. Nun ist im Markt und auch auf der Reisemesse ITB in Berlin erhebliche Unsicherheit zu spüren, ob der Erfolgskurs so ungebremst fortgesetzt werden kann. „Wir gehen von weiterem Wachstum aus“, sagt Ahrens.

Rund 200.000 Gäste mehr

Voriges Jahr buchten laut DRV 1,8 Millionen Bundesbürger eine Hochsee- oder Flusskreuzfahrt, das waren rund 200 000 Gäste mehr. Der Gesamtumsatz kletterte von 2,6 auf 2,9 Milliarden Euro. Schiffsreisen machen ein Achtel der deutschen Touristikerlöse aus. Zum Vergleich: 2001 war es nur ein Zwanzigstel. Viele neue Anbieter und Schiffe kurbeln seit Jahren das starke Wachstum an. Allein in diesem Jahr laufen fünf Hochseekreuzer und 16 Flussfahrtschiffe vom Stapel. „Die Branche investiert kräftig und sichert allein in Deutschland 36 000 Arbeitsplätze“, so Ahrens.

Besonders gefragt bleibt der Urlaub auf hoher See. Rund 1,4 Millionen Gäste buchten eine Fahrt auf dem Mittelmeer, der Nord- oder Ostsee oder in ferneren Gewässern. Damit lag der Zuwachs bei fast 14 Prozent und damit noch leicht über dem Durchschnitt der letzten Jahre. Im Schnitt geben die deutschen Gäste für eine Hochseekreuzfahrt 1710 Euro aus. Damit ist der Durchschnittspreis erstmals wieder leicht gestiegen. Das zeige, dass größere Schiffe und Kapazitäten nicht zwingend einen dauerhaften Preisverfall auslösen würden, sagt Ahrens. Auch nach dem Costa-Unglück sei kein Preisrutsch zu erwarten. Als erfreulich bezeichnet es der Experte, dass deutsche Anbieter inzwischen wieder rund 60 Prozent Marktanteil halten. Damit ist das Vordringen internationaler Konzerne auf den hiesigen Markt gebremst worden.

Die Nachfrage wächst

Einer aktuellen DRV-Umfrage zufolge hat jeder Vierte bereits eine Kreuzfahrt gemacht, allein 56 Prozent bei Aida und 18 Prozent beim italienischen Anbieter MSC. 52 Prozent können sich vorstellen, in den nächsten drei Jahren eine Kreuzfahrt zu unternehmen und dafür im Schnitt bis zu 1260 Euro auszugeben. Auch auf den Flüssen wächst die Nachfrage weiter. Die Passagierzahl stieg voriges Jahr um 6,7 Prozent auf 462 000. Der Umsatz stieg deutlich von 472 auf 496 Millionen Euro. Am beliebtesten ist weiterhin die Donau, auf Platz zwei rangiert der Nil, dann folgt der Rhein. Das Wachstum auf deutschen Flüssen werde gebremst durch die geplante höhere Mehrwertsteuer von 19 Prozent, befürchtet die Branche. In der Umweltdebatte fühlt sich die Branche ungerecht behandelt. Die Branche habe die Umweltstandards in den letzten Jahrzehnten immer weiter nach oben geschraubt, so Ahrens. Umweltschützer kritisieren seit Jahren vor allem die Klimabelastung durch die schwimmenden Städte, die aus Kostengründen vor allem billiges und schadstoffbelastetes Schweröl zum Antrieb und zur Energieerzeugung verbrennen.