Die Fiat-Tochter Iveco Magirus wird die Produktion schwerer Nutzlastwagen von Ulm nach Madrid verlagern. Wie viele Arbeitsplätze in Ulm verloren gehen werden, stehe noch nicht fest.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Ulm - Die Fiat-Tochter Iveco Magirus wird die Produktion schwerer Nutzlastwagen von Ulm nach Madrid verlagern. Das gab das Unternehmen am Montagabend bekannt. Der Schritt sei „aufgrund der anhaltend schwierigen Bedingungen am europäischen Lkw-Markt unausweichlich geworden“, heißt es in einer Presseerklärung. Die anhaltende Unterauslastung des Ulmer Werks sei nicht länger tragbar gewesen. Lediglich das Zentrum für Forschung und Entwicklung sowie der Testing-Bereich sollen, als „Kernelement der Ingenieursleistung von Iveco“, erhalten bleiben, teilt die Fiat-Tochter mit.

 

Für viele der zuletzt gut 2000 Iveco-Beschäftigten in Ulm, von denen 670 in der Montage der schweren Lastwagen arbeiten, bewahrheiten sich damit schlimmste Befürchtungen. Seit mehr als drei Jahren wurde im Ulmer Werk wieder und wieder Kurzarbeit beantragt, weil die Bestellungen zurückgingen. 2012 wurden keine 9000 Sattelzugmaschinen mehr gebaut, im Jahr 2008 waren es noch – mit allerdings fast 1000 Mitarbeitern mehr – 22 000 Fahrzeuge gewesen. Der italienische Konzern bekommt die Folgen der EU-Schuldenkrise unmittelbarer und offenbar stärker als die Konkurrenz zu spüren. Auf den wichtigen südeuropäischen Märkten herrscht Unsicherheit, die Versorgung mit Krediten stockt, Spediteure können sich neue Lastwagen nicht leisten. Die Erholung von der Schuldenkrise blieb bei den Italienern offenbar aus.Zum Jahreswechsel kündigte der Turiner Konzern die Abspaltung seiner Lkw-Sparte vom Autogeschäft an, neben den Nutzfahrzeugen sollten auch der Maschinenbau, die Tochter CNH und ein Teil der Powertrain-Teilelieferung ausgegründet werden. Die Ulmer Mitarbeiter fanden sich in einem Unternehmen namens Fiat Industrial wieder. Die Gründung des nunmehr börsennotierten Unternehmens öffnete Spekulationen Tür und Tor. Würden die Alteigentümer ihre Papiere schnellstmöglich abstoßen? Gerüchteweise hieß es, Daimler habe Interesse an Fiat Industrial, dann wiederum war die Rede von einer bevorstehenden chinesischen Übernahme. Grund dafür war, dass Ende vergangenen Jahres mit John Zhao ein Chinese ins Führungsgremium von Fiat Industrial aufrückte, Chef des Finanzinvestors Hony Capital mit Sitz in Peking.

Wie viele Arbeitsplätze verloren gehen, steht noch nicht fest

Hoffnung machte stets die ebenfalls in Ulm beheimatete Iveco Magirus Brandschutztechnik, die 2009 das beste Ergebnis der Firmengeschichte erzielte. 2010 sank der Umsatz dann auf 165 Millionen Euro. Zuletzt waren hier 430 Mitarbeiter beschäftigt. Auf das Geschäft mit den Drehleiterfahrzeugen will Iveco sich in Ulm künftig konzentrieren. Die Neuordnung des Konzerns, wurde am Montag mitgeteilt, sehe die Entwicklung eines Brandschutzzentrums in Ulm vor.

Am Montag sind die Verlagerungspläne den Betriebsräten und Gewerkschaftsvertretern in Ulm bekannt gemacht worden. Wie viele Arbeitsplätze letztlich verloren gehen werden, stehe noch nicht fest, so ein Münchner Unternehmenssprecher am Abend. „Es ist alles noch offen. Wir verhandeln mit dem Betriebsrat.“ Es werde daran gearbeitet, die bestmögliche Lösung für alle Beteiligten zu finden.

Daran hat die Belegschaftsvertretung in Ulm, die an den Gesprächen tagsüber beteiligt war, Zweifel. Man sei „skeptisch, ob und wie es gelingt, einen Ausgleich der Interessen zu erreichen“, teilten abends Michael Braun von der Gewerkschaft IG Metall sowie Bernhard Maurer, Betriebsratsvorsitzender von Iveco in Ulm, mit. Sie berichteten, dass Fiat 670 Beschäftigte aus dem Bereich schwere Lastwagen abbauen wolle – wie viele davon in Ulm, sei nicht gesagt worden. Der Betriebsrat habe deswegen eine Wirtschaftsausschuss-Sitzung verlangt, um Hintergründe und Details des Unternehmenskonzeptes zu erfahren.Laut Braun und Maurer ist bereits seit Wochen „fieberhaft“ daran gearbeitet worden, mit der Führung von Fiat Industrial in konstruktive Gespräche über ein Zukunftskonzept für den Ulmer Standort einzutreten. Die Gewerkschaft wie der Betriebsrat seien „bereit, an einer Umstrukturierung der Aktivitäten von Fiat Industrial/Iveco mitzuarbeiten mit dem Ziel, zukunftsfähige industrielle Strukturen zu sichern“.

Ziel der Bemühungen sei es, die Umstrukturierung in Ulm und allen weiteren betroffenen Standorten so zu vollziehen, „dass kein Beschäftigter arbeitslos wird“. Sehr viele der Ulmer Iveco-Beschäftigten sind älter als 50 Jahre.