Privatbanken und Sparkassen befürchten erhebliche Nachteile für Bauherren und Mittelstand durch die Einführung neuer internationaler Kapitalregeln. Was es damit auf sich hat.

Washington - Am Rande der Herbsttagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank warnten die beiden Bankengruppen vor Wettbewerbsverzerrungen zugunsten von US-Banken. Ein international abgestimmtes Regelwerk sei zwar erstrebenswert, sagte Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken (BdB). „Wettbewerbsnachteile deutscher wie europäischer Banken dürfen aber nicht das Ergebnis der Verhandlungen sein“, meinte Kemmer. Die Gespräche über neue Kapitalregeln, die auch unter der Bezeichnung „Basel III“ bekannt sind, ziehen sich seit Jahren hin. Die deutsche Kreditwirtschaft fordert, dass die Reform die unterschiedliche Kreditvergabepraxis in den USA und Europa berücksichtigt. Ansonsten seien für die deutsche Wirtschaft erhebliche Nachteile zu befürchten, so Kemmer.

 

In Europa finanziert sich der Mittelstand stark über Kredite der Hausbanken

Das beurteilt der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) ähnlich. Die Sparkassen sehen die Gefahr, dass die geplanten Regeln die Kreditvergabe erschweren. „Die Finanzierung der Häuslebauer kann durch die neuen Regeln beeinträchtigt werden“, sagte Helmut Schleweis, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Heidelberg und DSGV-Vizepräsident. Die vorgesehene Änderung führe dazu, dass Banken in Europa für Immobilienkredite mehr Eigenkapital bilden müssen. Das habe Folgen für die Kunden: Wenn Banken und Sparkassen Immobilienkredite mit mehr Eigenkapital unterlegen müssen, würden weniger Baukredite angeboten. DSGV-Präsident Georg Fahrenschon sieht in diesem Fall auch negative Auswirkungen auf die Mittelstandsfinanzierung. „Es darf keine signifikante Erhöhung der Kapitalanforderungen geben“, heißt es bei den Privatbanken. Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), sagte in Washington, der Kreditwirtschaft sei von Anfang an zugesagt worden, dass die Kreditvergabe nicht erschwert werden soll. Draghi erwartet, dass die Gespräche noch einige Zeit andauern.

Bei der Mittelstandsfinanzierung gehe es den Banken und Sparkassen zufolge um grundsätzliche Weichenstellungen. In Europa finanziert sich der Mittelstand stark über Kredite der Hausbanken. Höhere Eigenkapitalanforderungen erschwerten dies. In anderen Ländern wie etwa den USA nutzen die Unternehmen in starkem Maß die Kapitalmärkte. Kemmer betonte, dass deutsche Mittelständler sich nicht von Kapitalmärkten abhängig machen wollten. Dies solle die Politik berücksichtigen. Falls Hindernisse für die Kreditvergabe der Banken an Mittelständler errichtet werden, würde dies unweigerlich zu einer Verlagerung an die Kapitalmärkte führen.

Faule Kompromisse können nicht im Interesse Europas sein

Die Frage, wie viel Kapital die Kreditinstitute für Kredite vorhalten müssen und wie dies berechnet wird, ist eine zentrale Frage für die Geldhäuser. Faule Kompromisse könnten nicht im Interesse Europas sein, betonte der Bankenverband. Auch die Sparkassen forderten die Politik auf, keinen vorschnellen Einigungen zuzustimmen. Kein Kompromiss sei besser als eine schlechte Lösung, sagte DSGV-Präsident Fahrenschon. Bundesbankpräsident Jens Weidmann hatte am Wochenende beim IWF-Treffen gesagt, dass eine Verständigung in greifbarer Nähe liegt.

Im Kern dreht sich der Streit darum, ob die Banken ihre internen Modelle zur Bemessung von Kreditrisiken beibehalten können. Diese Modelle beruhen auf den Erfahrungen der Institute und werden von der Aufsicht überwacht. Die Banken haben bisher die Wahl, ob sie interne Risikomodelle oder ein Standardansatz wählen. Mit der Basel-III-Reform soll eine Untergrenze eingezogen werden, um zu verhindern, dass Banken ihre Risiken schönrechnen.

Die USA dringen darauf, dass bei internen Modellen die Untergrenze bei 72,5 Prozent des Standardansatzes liegt. Dieser Wert liege über der Schmerzgrenze, sagte Fahrenschon. Der DSGV schätzt, dass mit der Einführung der Untergrenze sich die Eigenkapitalanforderungen um mehr als zehn Prozent erhöhen. Dies hätte nicht nur deutsche Banken, sondern auch Institute in Frankreich, Italien und Spanien gravierende Auswirkungen.