Drei Tage vor dem Start ihrer Ausbildung erhalten zehn neu eingestellte Azubis ihre Kündigung. Iwis Mechatronics aus Schwaigern bei Heilbronn begründet das mit der schlechten wirtschaftlichen Lage. Andere Betriebe wollen einspringen.

Wirtschaft: Imelda Flaig (imf)

Es klingt paradox. Viele Firmen können ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen, Autozulieferer Iwis Mechatronics in Schwaigern (Landkreis Heilbronn) dagegen hat seinen zehn neuen Azubis drei Tage vor dem Ausbildungsstart angekündigt, dass sie entlassen werden. Die sind jetzt auf neue Ausbildungsbetriebe angewiesen. Für IG Metall und Betriebsrat ist das Verhalten der Firma nicht nachvollziehbar.

 

Der Autozulieferer habe die Kündigungen mit der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens begründet, sagte Betriebsratsvorsitzender Martin Stäbe unserer Zeitung. Da man in den nächsten Jahren kein Wachstum erwarte, könne man eine Übernahme nach der Ausbildung nicht zusichern. Die Ausbildung neuer Azubis werde vorübergehend ausgesetzt.

Mehr als 20 Betriebe haben sich gemeldet

Die Lehrlinge im zweiten bis vierten Ausbildungsjahr können laut Stäbe ihre Lehre in der Firma aber noch abschließen. Die zehn Azubis – künftige Industriemechaniker, technische Produktdesigner und Elektroniker für Betriebstechnik – sind weit weg von Normalität. Sie müssen sich neue Ausbildungsbetriebe suchen. Firmen in der Region zeigten sich solidarisch, mehr als 20 hätten sich schon gemeldet, um Azubis zu übernehmen, sagt der Betriebsratschef von Iwis Mechatronics und gibt sich zuversichtlich, dass alle anderswo unterkommen. Zwei Azubis haben laut Stäbe bereits neue Verträge unterzeichnet, weitere seien in Gesprächen. Man unterstütze sie bei der Suche.

Wie die Geschäftsführung helfen will

Auch Geschäftsführer Frank Mitzschke argumentiert mit „kurzfristig und mittelfristig stark gesunkenen Auftragsvolumina aufgrund der Absatzkrise der Automobilindustrie“. Und er verweist gegenüber unserer Zeitung auf Unterstützungsmaßnahmen von Management und Betriebsrat für die betroffenen Auszubildenden.

So werde intensiv nach lokalen Unternehmen gesucht, die die Auszubildenden übernehmen könnten. „Bisher konnten bereits 21 Firmen gefunden werden, die Interesse gezeigt haben.“ Zwei der zehn Azubis im ersten Lehrjahr seien bereits erfolgreich vermittelt worden. Auch würden eine umfassende Unterstützung zu Bewerbungstechniken, eine Karriereberatung und ein Zugang zu einer Sozialberatung geboten. Zudem habe „jeder Auszubildende die Möglichkeit, sich mit seinen Anliegen direkt an die Geschäftsleitung zu wenden“, heißt es. „Die Ausbildung des 2./3./4. Lehrjahres läuft davon unbeeinflusst weiter“, betont Mitzschke.

Die Kündigungen setzen nicht nur den Lehrlingen zu. „Das ist kein respektvoller Umgang. Die Azubis hatten nicht mal die Chance, sich vor Ausbildungsstart nach einem neuen Betrieb umzuorientieren“, sagt Niklas Anner von der IG Metall Heilbronn-Neckarsulm. Am letzten Freitag im August, also drei Tage vor dem Ausbildungsstart am Montag, dem 2. September, hätten diese von den Kündigungsplänen erfahren. „Da entsteht der Eindruck, dass kurzfristig auf die wirtschaftliche Situation reagiert wird und man bei den Schwächsten ansetzt“, kritisiert er.

Betriebsratsvorsitzender Stäbe bezweifelt, dass die Einspareffekte durch die Reduzierung der Ausbildung, wirtschaftliche Probleme lösen. Er befürchtet einen Imageschaden und dass ohne junge Nachwuchskräfte Know-how verloren geht. „Wenn man nicht mehr ausbildet, ist das der Anfang vom Ende. Wie soll da das Wissen in die Zukunft transformiert werden?“, sagt er.

Im rund 11 000 Einwohner zählenden Städtchen Schwaigern ist Iwis Mechatronics seinen Angaben zufolge der größte Ausbildungsbetrieb und auch in der Region bedeutend, weil man sich als Ausbildungsbetrieb immer sehr engagiert habe. „Der Schaden in der Außenwirkung ist für uns noch gar nicht absehbar“, sagt Stäbe. Er befürchtet, dass dies künftig junge Menschen von einer Bewerbung abschrecken könnte. Auch die Ausbilder warteten bestimmt nicht bis man in einigen Jahren wieder ausbilde. Die betroffenen Azubis, die sehr engagiert seien, hätten gerne ihre Ausbildung hier gemacht, sagt Stäbe.

550 Beschäftige am Standort

Iwis Mechatronics (früher Söhnergroup) hat in Schwaigern rund 550 Beschäftige und ist auf hochpräzise Kunststoff-Metallverbindungen und Baugruppen spezialisiert. Die Firma beliefert unter anderem auch große Autozulieferer wie etwa Bosch oder Conti und gehört seit Juni 2021 zur Iwis-Gruppe in München, die laut Internetseite rund 3000 Beschäftigte hat.