Ihr Verein betreibt 110 Kilometer von Bukarest entfernt, in Pitesti, unter dem Namen „Smeura“ ein Tierheim. Wie kam es dazu?
Die Smeura wurde 2001, als eine erste staatliche Tötungsaktion lief, von unserer Gründerin Ute Langenkamp übernommen. Frau Langenkamp erreichte beim Bürgermeister, dass sie die ehemalige Fuchsfarm pachten durfte und somit keine Hunde mehr umgebracht wurden. Im Gegenzug verpflichtete sie sich, jeden Streuner aus Pitesti und dem Landkreis Arges aufzunehmen. Wir kastrieren, impfen und kennzeichnen die Tiere, pro Tag bis zu 50. Die meisten werden anschließend dort ausgesetzt, wo sie aufgefunden wurden.
Daneben vermitteln Sie jährlich rund 2500 rumänische Straßenhunde in deutsche Familien. Diese Tiere sind geschult im Kampf um alles Fressbare und schwer erziehbar.
Sie zeichnen ein völlig falsches Bild. Die Straßenhunde sind überwiegend sehr zurückhaltend. Und die wenigen unfreundlichen Tiere behalten wir in der Smeura.
Warum gibt es überhaupt so viele streunende Hunde in Rumänien?
Die Tiere wurden vom Kommunismus auf die Straßen gespült. Früher wohnten die meisten Menschen in Häusern mit Gärten oder Höfen. In den 70er und 80er Jahren ließ Nicolae Ceausescu diese kleinen Gebäude abreißen. Der Diktator wollte, dass sein Volk in sozialistischen Plattenbauten haust. Die Menschen wurden zwangsweise in winzige Wohnungen umgesiedelt, ihre Hunde setzten sie aus. Die Tiere haben sich ungezügelt vermehrt. Ceausescu wurde 1989 vom Volk gestürzt und hingerichtet. Nun sollen die Hunde, die zu den Opfern des Diktators zählen, ermordet werden.
Sehen die Rumänen diesen Zusammenhang?
Nein, die Ursachen der Misere werden in der breiten Bevölkerung ausgeblendet. Seit dem Tod des kleinen Ionut werden im ganzen Land Hunde auf grausame Weise abgeschlachtet. Unserer Tierheimleiterin Ana-Maria Voicu musste mitansehen, wie mitten in Pitesti ein Streuner mit Benzin übergossen und angezündet wurde.
Haben Sie eine Erklärung für den blanken Hass auf die Straßenhunde?
Rational lässt sich die Hysterie nicht begreifen. In Rumänien gibt es viel schlimmere Missstände: Die gewachsene Kluft zwischen Arm und Reich, viele Leute haben nicht einmal genug, um satt zu werden, geschweige denn fließendes Wasser oder einen Stromanschluss. Die Bildungs- und Gesundheitssysteme verdienen diese Bezeichnungen nicht. Es gibt Kinderhandel und Kinderprostitution. Rumänien hat die zweithöchste Rate an Verkehrsopfern in der EU. Wenn ein Autofahrer ein Kind totfährt – das kommt alltäglich vor –, geht die Raserei auf marodem Asphalt ungehindert weiter. Niemand käme auf die Idee, eine Jagd auf Autofahrer anzuzetteln. Aber Hunderttausende Tiere sollen sterben, weil es zu einem tödlichen Beißvorfall gekommen ist. Die Hunde dienen einer unzufriedenen Gesellschaft als Sündenböcke.