Die grün-rote Landesregierung hat den Entwurf für ein neues Jagdgesetz zur Anhörung freigegeben. Darin werden der Natur- und der Tierschutz stärker berücksichtigt – das stößt an vielen Fronten auf Kritik.

Stuttgart - Winfried Kretschmann und Alexander Bonde gehen dieser Auseinandersetzung nicht aus dem Weg: Am Samstag Nachmittag werden der Ministerpräsident und sein Agrarminister nach Oppenau (Ortenaukreis) fahren. Dort treffen sich 400 Waidfrauen und -männer zum Landesjägertag. Die beiden Grünen-Politiker werden versuchen ihnen nahezubringen, warum sie ihr Jagd- und Wildtiermanagementgesetz für gelungen halten. Das Kabinett ist ihnen gefolgt und hat den Entwurf zur Anhörung frei gegeben. Bei den Jägern freilich wird erheblich mehr Überzeugungskraft aufzubringen sein. Kretschmann sagt dazu: „Das ist ein Hemden-Nassschwitz-Thema.“

 

Die Jäger sehen sich ihrer Eigenverantwortung beraubt

„Die Jagd soll faktisch dem Naturschutz unterstellt werden“, sagt der Landesjagdverband. Die Jäger, „bislang eigenständige Naturnutzer wie Land- und Forstwirte, Fischer um Imker“, sehen sich „ihrer bisherigen Eigenverantwortung beraubt und zu bloßen Erfüllungsgehilfen degradiert“.

Es sei „kein Wunder, dass es keinen Konsens“ gegeben habe, erläutert Alexander Bonde. Zu weit seien die Positionen der Beteiligten auseinander, neben den Jägern beispielsweise noch Landwirte, Forstleute oder Naturschützer. Im Ergebnis, sagt Kretschmann, sei es „gut gelungen“, zwischen den unterschiedlichen Interessen „einen fairen Ausgleich zu schaffen“. Ihm sei klar, dass „Jagd mit Leidenschaft betrieben wird“. Dass die Interessen verbände im Gesetzgebungsverfahren lautstark auf sich aufmerksam machen, könne er nachvollziehen, so der Ministerpräsident. Doch „an der Jagdpraxis wird sich sehr viel weniger ändern, als uns die Jagdhörner vermitteln wollen“, sagte Kretschmann. „Man muss da etwas von dem Halali abziehen.“

Auf der Sachebene lasse man mit sich reden. „Aber mit dem Allgemeinvorwurf, dies sei ein ideologisches Gesetz werden sie bei uns keinen Eindruck machen“, stellte Kretschmann in Aussicht. „Runter von der Polemik, hin zur Sachebene“, forderte der Ministerpräsident. „Jagd muss gesellschaftsfähig bleiben“, sagte Kretschmann. Bei vielen Menschen sei sie aber umstritten. Der Minister Bonde regte an, einen Blick auf das Jagrecht in anderen Bundesländern oder im europäischen Ausland zu werfen. Dann werde deutlich werden, „dass wir einen Kompromissvorschlag gemacht haben“. In immerhin 27 Gesprächsrunden habe er eigentlich eine „konstruktive Diskussionsatmosphäre“ erlebt. Da wundere ihn die eine oder andere Äußerung jetzt schon. Wie auch immer: „Ein Diktat des Naturschutzes über die Jagd ist nicht vorhanden.“ Man habe in dem Gesetz auch einige Wünsche der Waidleute aufgegriffen.

Gemeindetag und Naturschutzbund kritisieren den Entwurf

Wünsche haben freilich auch andere. Auch der Gemeindetag etwa kritisiert das neue Jagdgesetz scharf. Dessen Verbandspräsident Roger Kehle kündigte an, alle Regelungen abzulehnen, die die Verpachtung der Jagdreviere durch die Kommunen erschweren. „Es kann nicht sein, dass Kommunen plötzlich keine Pächter mehr finden oder einen Pachtpreiseinbruch verkraften müssen“, sagte Kehle.

Der Nabu kann mit dem Entwurf „nur zähneknirschend leben“. „Aus unserer Sicht ist die grün-rote Landesregierung dem Landesjagdverband entgegengekommen – vielfach zu weit,“ sagt dessen Landesvorsitzender Andre Baumann. Auch der BUND ist skeptisch: „Der Entwurf enthält viele gute Ansätze“, sagt die Landeschefin Brigitte Dahlbender, „aber auch manche Regelungen, die für uns nicht akzeptabel sind.“ Der Landestierschutzverband glaubt, dass „bei den in den Arbeitskreisen mühsam erarbeiteten Minimalkompromissen weitere Abstriche einseitig zu Lasten des Tierschutzes gemacht werden sollen“, und reagiert mit Ablehnung.

Pro und Kontra zum Jagdgesetz

Pro: Das Jagdgesetz ist 20 Jahre alt. Der Tierschutz steht inzwischen im Grundgesetz, der Natur- und Artenschutz ist im EU- und Bundesrecht verankert. Beides wird jetzt berücksichtigt. Auch die Forschung ist auf einem anderen Stand. Wildtierökologische Erkenntnisse zur Wildruhe und zur Fütterung mussten berücksichtigt werden, so die Befürworter. Das Image der Jäger ist nicht gut. Abschüsse von Haustieren tun ihr übriges. Das neue Gesetz sei ein klares Bekenntnis zur Jagd und wird ihre Akzeptanz steigern.

Kontra:
Wildtiermanagement und die flexible Unterscheidung in jagdbare und geschützte Tiere bringt dem Naturschutz Mitspracherechte – zuviel, finden die Jäger. Die zweimonatige Jagdruhe im Frühjahr nehme den Jägern ein wesentliches Instrument zur Regulierung des Bestandes etwa beim Wildschwein, sagen sie. Durch das Verbot der Fütterung lasse sich das Wild schlechter lenken. Wildschäden seien weniger zu verhindern. Die Beschränkungen der Jagdzeiten stellten einen nicht zu tolerierenden Eingriff ins Eigentumsrecht der Grundeigentümer dar