Der Gemeinderat bildet mit dem Überschuss von 2017 Rücklagen für Klinikum, Kulturbauten und Straßen.

Stuttgart - Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am Donnerstag mit einer Mehrheit von CDU, Grünen, Freien Wählern, FDP, BZS 23, AfD sowie dem Einzelstadtrat Walter Schupeck und OB Fritz Kuhn (Grüne) die Senkung des Grundsteuerhebesatzes von 520 auf 420 Punkte beschlossen. Das kostet im kommenden Jahr etwa 30 Millionen Euro. Die Mittel werden aus dem Überschuss des vergangenen Jahres von 383 Millionen Euro entnommen. CDU-Fraktionschef Alexander Kotz, Erfinder der so genannten „intelligenten“ Grundsteuerhebesatzsenkung, die nur in erfolgreichen Jahren vorgenommen werden soll, bezeichnete die Entscheidung als „wichtiges politisches Zeichen“. Der Hebesatz war 2010 erhöht worden, um die Schulsanierungen finanzieren zu können. Die bürgerlichen Parteien wiesen immer wieder darauf hin, dass dieser Schritt nicht nötig gewesen wäre.

 

Bei SPD, SÖS/Linke-plus und Ralph Schertlen (Stadtisten) stößt die bereits im Rahmen der Haushaltsberatungen Ende 2014 getroffene Entscheidung auf Widerstand, weil jeder Mieter nur um etwa 17 Euro pro Jahr entlastet werde, etwa die Hälfte der Summe aber Unternehmen zugutekomme – und wiederum der Großteil den großen Stuttgarter Unternehmen. „Fünf Millionen gehen an Daimler, der zehn Milliarden Euro Gewinn gemacht hat“, klagte SPD-Fraktionschef Martin Körner. Um seine Kritik zuzuspitzen, verwies er auf die größten Anteilseigener: „Am meisten profitieren von der Hebesatzsenkund die Großaktionäre aus Kuwait und China.“

Keine Streichung der Kita-Gebühren

Der Alternativvorschlag von Martin Körner sah einmalig einen 50-Euro-Gutschein für jeden ÖPNV-Nutzer vor. Er erhielt ebenso wenig eine Mehrheit wie die Forderung von SÖS/Linke-plus, die Kitagebühren dauerhaft zu streichen; dafür sollten 50 Millionen Euro jährlich eingesetzt werden.

In den Jahren 2015 und 2016 war ein wesentliches Kriterium für die sogenannte intelligente Grundsteuer, der Verzicht auf eine Kreditaufnahme, nicht erfüllt. Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU), ein Gegner dieser Ausgabe, hatte zinslose Darlehen von insgesamt 56 Millionen Euro aufgenommen. Im vergangenen Jahr konnte auf eine Kreditaufnahme verzichtet werden. Ab dem Jahr 2020 beträgt der Hebesatz für die Grundsteuer wieder 520 Punkte. Mit dem Jahresabschluss 2018 wird aber geprüft, ob und in welchem Umfang die Voraussetzungen für eine erneute Senkung für das Jahr 2020 vorliegen.

Auch 2018 wird ein erfolgreiches Jahr

Die Befürworter gehen fest von einer Fortsetzung aus, nachdem der Zwischenbericht zur Finanzlage 2018 eine freie Liquidität von 90 Millionen Euro avisiert. Im vergangenen Jahr war er von einem ausgeglichenen Ergebnis ausgegangen. Am Ende stand ein Überschuss von 383 Millionen Euro. Grüne und SPD erinnerten an die Personalprobleme, die einen Abfluss der Investitionsmittel blockierten, Hannes Rockenbauch (SÖS/Linke-plus) verwies auf die Brandrede des Gesamtpersonalratsvorsitzenden Markus Freitag. Die Verwaltung könne in einigen Bereichen wegen Personalmangels ihre Ausgaben nicht mehr erfüllen. Ralph Schertlen (Stadtisten) beklagte „einen Fehler im System“. Der Sparstrumpf platze, während die Stadt zunehmend maroder werde.

Die Mehrheit im Rat entschied, dass 200 Millionen Euro für den Klinikumsneubau zurückgelegt werden. Das ist ebenso im Sinne von OB Fritz Kuhn (Grüne) und Föll wie die Verwendung von 19 Millionen Euro, um die letzten Schulden im Kernhaushalt zu tilgen. Die Eigenbetriebe bleiben weiterhin verschuldet (395 Millionen Euro. Darüber hinaus bunkern die konservativen Fraktionen und die SPD 150 Millionen Euro für eine Wohnraumoffensive. 25 Millionen Euro sind für Abriss und Neubau des Auffahrtswerks Friedrichswahl vorgesehen. Der gleiche Betrag wird für die Zukunftsprojekte Linden-Museum und Konzerthalle reserviert. Bekräftigt wird zudem das Bekenntnis, die der Stadt im Herbst zufließenden 167 Millionen Euro aus dem Garantieüberschusskonto im Zusammenhang mit der Bürgschaft für Schrott-Wertpapiere der Landesbank LBBW der Opernsanierung zu widmen.

Keine Mehrheit für Grüne und SÖS/Linke-plus

Keine Mehrheit erhielten Anträge der Grünen, die 110 Millionen Euro in den nächsten zwei Jahren als Fördermaßnahmen für den Klimaschutz einsetzen wollten, sowie von SÖS/Linke-plus. Die Fraktionsgemeinschaft plädierte unter anderem für ein Ein-Euro-Tagesticket beim VVS sowie Geld für die Bäder.