Der Verwaltungsausschuss streitet darüber, wofür man eine halbe Milliarde Euro auf die hohe Kante legt. Der Personalmangel entpuppt sich immer mehr als entscheidendes Investitionshemmnis.

Stuttgart - Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) hält es in Anbetracht eines Überschusses von 383 Millionen Euro 2017 und der Aussicht auf 167 Millionen Euro von der LBBW am Jahresende für überflüssig, im Gemeinderat über die Verwendung zu streiten; zumal sein Finanzbürgermeister Michael Föll (CDU) mit Verweis auf die guten Aussichten feststellte, dass das „nicht das letzte Geld ist, das wir einnehmen“. Die strukturellen Defizite in der Stadtverwaltung, insbesondere beim Personal, vor allem aber der bevorstehende Kommunalwahlkampf, für den sich die Stadträte mit Sonderwünschen in dreistelliger Millionenhöhe präparieren wollen, haben aber doch dazu geführt, dass die Rücklagen die Fraktionen entzweien.

 

Durchgesetzt haben sich CDU, SPD, FDP und Freie Wähler mit einem Vorschlag, der sich vor allem in der Rücklage von 150 Millionen Euro für eine Wohnraumoffensive vom Vorschlag des OB und seines Kämmerers unterscheidet. Hinzu kommen 25 Millionen Euro für den Umbau der Friedrichswahl in Zuffenhausen, wofür auch die Grünen stimmen. Dafür wird das 200-Millionen-Euro-Paket der Verwaltung für die kulturelle Infrastruktur – Opernsanierung, Konzerthalle und Linden-Museum – auf 25 Millionen Euro eingedampft. Diese Kürzung fällt der Ratsmehrheit im Hinblick auf die Opernsanierung leicht, weil sie stattdessen 167 Millionen Euro Auszahlung aus dem Garantieüberschusskonto einplant. Dieses Geld erhielt die Stadt als Prämie, weil sie für Schrott-Wertpapiere der LBBW bürgt.

Der SPD fehlt ein umfassendes Investitionskonzept

Die Grünen hatten vergeblich für ein Konto plädiert, auf das in den nächsten zwei Jahren 110 Millionen Euro für Klimaschutzmaßnahmen eingezahlt werden sollten. Sie wollten Sanierungen und Neubauten städtischer Gebäude klimaneutral oder gar im Plusenergie-Standard ermöglichen. Die SPD bemängelte das Fehlen eines Plans aller Investitionen. Föll denke nur an „sein“ Klinikum, für das 200 Millionen Euro bereit gestellt werden, Kuhn nur an „seine“ Kultur. Fraktionschef Martin Körner sagte, Schulneubauten und Bädersanierungen kosteten 200 Millionen Euro, ohne dass dafür Mittel zurückgestellt würden. SÖS/Linke-plus forderten vergeblich ein 365-Euro-Jahresticket für den VVS, Extrageld für die SSB, die Streichung der Kitagebühren, die Umsetzung von Rad- und Fußgängerprogrammen und für die Bäder.

Grüne und SÖS/Linke-plus nannten als Gründe für den Geldsegen neben den sprudelnden Steuerquellen die Engpässe in der Verwaltung. Weil nicht genügend Personal vorhanden sei, könnten Planungsleistungen nicht erbracht und finanzierte Projekte nicht realisiert werden. Die Ermächtigungsübertragungen, also verplante Mittel, die wegen Verzögerungen ins nächste Jahr gebucht werden, belaufen sich auf 600 Millionen Euro.

Personalrat ist erschüttert

Aus dieser Abwärtsspirale finde die Verwaltung derzeit nicht heraus. Das hat der Gesamtpersonalratsvorsitzende Markus Freitag sofort unterschrieben. Sarkasmus lag in seiner Stimme, als er auf die „schwierige Aufgabe“ hinwies, „das viele Geld zu bunkern“, während es die Rathausspitze nicht für erwähnenswert erachtet habe, den Anteil des Personals am Überschuss zu erwähnen: Rund ein Viertel der in die Rücklagen gebuchten 383 Millionen Euro gebe es nur deshalb, weil zehn Prozent der Stellen nicht besetzt seien.

Das Personal ist der Flaschenhals im städtischen Gefüge, darüber hat sich eine Liquiditätsblase von mittlerweile 2,2 Milliarden Euro gebildet. Es fehlt aber nicht nur an Bewerbern, sondern auch an Personal, das Bewerbungen bearbeitet. Ein Amt plane bereits, diese Aufgabe fremd zu vergeben, sagt Freitag. Stellen für Auszubildende bleiben offen, weil in den Ämtern feste Mitarbeiter beschäftigt werden müssen. Und letztlich fehlten Büros.

Personalratsvorsitzender attackiert Kämmerer Föll

Markus Freitag machte Föll schwere Vorwürfe, weil der Finanzbürgermeister Bonuszahlungen mit dem Hinweis ablehnte, das wäre „Rosinenpickerei“. Ein sicherer Arbeitsplatz sei mehr wert als Sonderzahlungen, so Föll. Der Kämmerer habe den Ernst der Lage nicht erkannt, bilanziert der Personalratsvorsitzende. Nun soll ein Krisengespräch Klarheit bringen.