Zu wenig Material, zu wenig Personal, zu viel Bürokratie: In seinem Jahresbericht beschreibt der Wehrbeauftragte den Zustand der Truppe abermals als verheerend.

Berlin - Zu wenig Material, zu wenig Personal, zu viel Bürokratie: So beschreibt der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels, die Lage bei der Bundeswehr. Neue Erkenntnisse sind das allerdings allesamt nicht, wie auch der SPD-Politiker bei der Vorstellung seines Jahresberichts am Dienstag beklagte: „Alle zu lösenden Probleme sind bekannt, beschrieben, analysiert, bewertet und konzeptionell irgendwie eingepreist.“ Nach den Trendwenden Material und Personal, die das Ministerium eingeleitet hat, hält er jetzt innere Reformen und eine „Trendwende Mentalität“ für erforderlich, damit sich bei der Truppe etwas ändert.

 

Zustand der Bundeswehr Der Wehrbeauftragte beschreibt jährlich die Entwicklungen bei den Streitkräften hinsichtlich Ausrüstung, Finanzierung und Personal. Die Soldaten können sich an ihn wenden und auf Missstände hinweisen. „Für die enormen Kosten, die Deutschlands Steuerzahler für ihre Streitkräfte aufwenden, ist die Bundeswehr als Ganzes bemerkenswert wenig einsatzfähig“, zieht Bartels in seinem Bericht für 2019 ein verheerendes Fazit. Als einzigen Lichtblick nennt er die Entwicklung des Verteidigungsetats von 32,4 Milliarden Euro im Jahr 2014 auf rund 45 Milliarden Euro in diesem Jahr. Allerdings wurden aus dem Topf für militärische Beschaffungen im vergangenen Jahr 1,1 Milliarden Euro gar nicht ausgegeben. Das sei angesichts der großen Ausrüstungsmängel „schmerzlich“, kritisiert Bartels.

Fehlende Ausrüstung In seinem Bericht zeigt sich der Wehrbeauftragte fassungslos über die unzureichende Materialausstattung der Bundeswehr: „Das, was da ist, ist häufig nicht einsatzbereit.“ Es gebe zu wenig oder keine Ersatzteile, für Instandsetzung fehlten die Kapazitäten. Der Mangel erstreckt sich demnach wie auch schon in den vergangenen Jahren von Schutzwesten für die Soldaten bis hin zu großem Gerät wie Schiffen, Panzern und Flugzeugen. Das Verteidigungsministerium räumt selber ein, es sei „nicht gelungen, die materielle Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme deutlich zu verbessern“. Einsätze der Bundeswehr seien zwar nicht gefährdet, es gebe jedoch teilweise Einschränkungen bei Ausbildung und Übungen. Der Wehrbeauftragte kritisiert: „Es darf nicht als normal angesehen werden, wenn Panzergrenadiere, statt mit ihrem Schützenpanzer zu üben, im Gelände aus einem VW-Bully der Bundeswehr-Fuhrpark-Gesellschaft steigen.“

Bürokratisches Beschaffungswesen Aus der Sicht des Wehrbeauftragten leidet die Truppe unter einem „teilweise dysfunktional gewordenen Beschaffungswesen“. Soll etwas eingekauft werden, dauere dies einfach zu lange. Bartels fordert daher ein komplettes Umdenken. Für Teile der Ausrüstung vom Rucksack bis zum leichten Verbindungshubschrauber seien europaweite Ausschreibungen von eigens für die Bundeswehr neu zu entwickelnden Produkten unnötig. Der Wehrbeauftragte fordert hier unbürokratisches Handeln nach dem „Ikea-Prinzip“: aussuchen, bezahlen, mitnehmen. Für hoch komplizierte moderne Technik vom Kampfpanzer bis zur Raketenabwehr solle es dagegen weiterhin „Design-Lösungen“ geben.

Probleme mit dem Personal Ende vergangenen Jahres hatte die Bundeswehr 183 667 Soldaten. Davon waren 175 330 Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit, das entspricht einem Plus von ungefähr 2000 Soldaten. Es fehlen der Truppe allerdings noch immer rund 20 000 Unteroffiziere und Offiziere. Die in den vergangenen Jahren rückläufigen Bewerberzahlen haben sich, wie diese Zahlen belegen, zumindest stabilisiert. Bei Truppenbesuchen kamen Bartels allerdings Klagen über den Nachwuchs zu Ohren: Die Soldaten seien „dicker, schwächer und dümmer“ als früher.

Rechtsextremismus Im vergangenen Jahr gab es 363 rechtsextremistische Verdachtsfälle bei der Bundeswehr – nach 270 Fällen im Jahr zuvor. Gezählt wurden in dem Bereich zudem 197 „meldepflichtige Ereignisse“. Auch hier gab es einen Anstieg. Wegen extremistischer Verfehlungen entließ die Bundeswehr 45 Soldaten vorzeitig aus dem Dienst, darunter einen Unteroffizier, wegen des Ausspruchs: „Alle Juden müssten vergast werden.“